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Sie haben vorgelegt, jetzt sind die jungen Abgeordneten der Union am Zug.

© Michael Kappeler/dpa

Koalition: Reicht das Angebot an die Renten-Rebellen?

Die Koalitionsspitzen haben sich entschieden: Das Rentenpaket wird nicht geändert. Die jungen Unionsrebellen bekommen ein Angebot. Kann der Streit damit geschlichtet werden?

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Eine Einigung im Rentenstreit gibt es auch nach dem Koalitionsausschuss nicht. Aber es gibt immerhin ein Angebot der Koalitionsspitzen, das die Renten-Rebellen in der Union zur Zustimmung bringen soll. Bundeskanzler Friedrich Merz zeigte sich nach einem einstündigen Gespräch mit den jungen Abgeordneten am frühen Morgen zuversichtlich, dass das auch klappt. „Ich rechne mit Zustimmung“, sagte er. Er hat es aber nicht selbst in der Hand. Die Entscheidung soll in der nächsten Woche fallen.

Das Problem: Keine Änderung am Rentenpaket

Beim Kernanliegen lassen Merz und die SPD die rebellierende Junge Gruppe der Unionsabgeordneten in der Ecke stehen: „Der Gesetzentwurf soll nicht mehr geändert werden“, sagte der Kanzler. In dem Punkt hatte die SPD nicht mit sich reden lassen. Also bleibt es dabei, wie die Regierung mit dem Übertritt von Millionen Babyboomern in die Rente umgehen will: Verhindert werden soll, dass die Renten viel langsamer steigen als die Einkommen in Deutschland. 

Dazu soll das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent gehalten werden. So weit, so gut. Nicht akzeptieren wollte der Unionsnachwuchs bislang einen einzigen Satz in dem Entwurf von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD): „Auch nach 2031 liegt das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht.“ Doch auch bei diesem Punkt soll es nun bleiben. Dabei hatte Junge-Union-Chef Johannes Winkel (CDU) gemahnt: „Man darf jetzt keine Vorfestlegung bis in die 30er-Jahre treffen mit über 120 Milliarden Euro, die jetzt beschlossen werden sollen.“ 

Das Angebot: Ein Begleittext

Auch wenn der Gesetzentwurf und damit das künftige Rentenniveau bleiben soll wie geplant, soll es Aspekte geben, die in eine Entlastung der heute jungen Generation und der Rentenkasse münden könnten. Zu den zentralen Punkten eines weiteren Rentenpakets im nächsten Jahr sollen „die nachhaltige Finanzierung und Sicherung der Beitragsbasis“ zählen. Konkretisiert werden soll das von der längst beschlossenen Rentenkommission, die noch dieses Jahr an den Start gehen und bis Ende des zweiten Quartals 2026 Vorschläge vorlegen soll. So steht es in einem neuen Begleittext zu dem bekannten Bas-Entwurf. Die Koalitionsspitzen haben sich in ihrer Spitzenrunde im Kanzleramt auf den Entwurf dafür geeinigt.

Die Ungewissheit: Prüfaufträge

Nicht nur Professorinnen und Professoren sollen in der Kommission sitzen, sondern auch Koalitionspolitiker - auch die junge Generation soll vertreten sein können, versicherte Merz. Das könnte jemand von der Jungen Gruppe sein - sie hätte dann unmittelbar Einfluss auf die Reform. Allerdings: Bekommen soll die Kommission lediglich Prüfaufträge. 

Verhandelt werden soll auf diesem Weg nun auch über ein bisheriges No-Go der SPD: ein späteres Rentenalter als 67 - hier lautet der Prüfauftrag: „eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit (z.B. Renteneintrittsalter)“. 

Technisch klingen andere Punkte auf der Prüfliste. Einer soll dafür sorgen, dass ein ungünstigeres Verhältnis von Einzahlenden und Rentnern die Renten dämpft. Ein anderer soll explizit die Kosten durch das 48-Prozent-Sicherungsniveau ausgleichen.

Geprüft werden soll aber auch, ob beispielsweise Beamtinnen und Beamte bald in die gesetzliche Rente einbezogen werden sollen - ein Tabu bei der Union. 

Der Kapitalmarkt spielt auch eine Rolle: Die Dividenden eines Zehn-Milliarden-Euro-Pakets des Bundes (aus Aktien etwa von Telekom oder Commerzbank) sollen den Aufbau privater Vorsorge der jungen Generation unterstützen. 

Das Ziel: Entscheidung in der nächsten Woche

Die Junge Gruppe hat nun noch ein paar Tage Bedenkzeit. Die 18 Abgeordneten, ohne die die Koalition keine sichere eigene Mehrheit im Bundestag hat, können über das Wochenende noch einmal in sich gehen. 

Die Stunde der Wahrheit schlägt dann am Dienstag um 15.00 Uhr. Dann kommt die Unionsfraktion zu ihrer nächsten regulären Sitzung zusammen. Die Abgeordneten müssen dann Farbe bekennen. Anders als bei der im ersten Anlauf geplatzten Wahl von Verfassungsrichtern - dem letzten großen Koalitionskonflikt - wird über die Rente nicht in geheimer, sondern in namentlicher Abstimmung entschieden. Das heißt: Es wird anschließend veröffentlicht, wer wie votiert hat. Das Gesetz anonym zu torpedieren, geht also nicht.

Sollte sich in der Fraktionssitzung zeigen, dass die Stimmen ausreichen, dürfte noch in derselben Woche die Abstimmung im Bundestag stattfinden. Der Bundesrat wäre dann am 19. Dezember an der Reihe. Dort dürfte aber nichts mehr schiefgehen, und das Gesetz könnte zum 1. Januar 2026 in Kraft treten. 

Die Erfolgschance: Könnte klappen, aber vielleicht auch nicht

Bis kurz vor 2.00 Uhr hat Merz mit den Koalitionsspitzen beraten. Um 07.00 Uhr war er schon wieder im Bundestag, um zusammen mit Fraktionschef Jens Spahn mit den Abgeordneten der Jungen Gruppe zu sprechen. Es habe eine Reihe von „sehr konstruktiven, auch nachdenklichen Wortmeldungen“ gegeben, sagte er anschließend. Nach sofortiger Zustimmung hört sich das nicht an.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, warnte in der anschließenden Fraktionssitzung nach Teilnehmerangaben noch einmal sehr eindringlich vor den Kosten des Gesetzes und blieb bei seiner Position. 

Unionsfraktionschef Spahn ist seit Tagen mit den Abgeordneten der Jungen Gruppe im Gespräch, um sie quasi im „Beichtstuhlverfahren zu bearbeiten“, also in Einzelgesprächen. So will man nun die notwendigen Stimmen zusammenbekommen. 

Ob Winkel und der Vorsitzende der Jungen Gruppe, Pascal Reddig, zustimmen, erscheint derzeit eher als unwahrscheinlich. Aber ein paar Stimmen der 18 Abgeordneten, die zu Beginn der Legislaturperiode alle 35 oder jünger waren, könnten schon reichen. Die Koalition hat eine Mehrheit von 12 Stimmen im Parlament.

Der Fortgang: Was passiert, wenn es nicht klappt?

Sollte sich am Dienstag zeigen, dass es zu viele Abweichler gibt, gilt eine Verschiebung der Abstimmung als wahrscheinlich. Auf eine Abstimmungsniederlage wird es die Koalitionsspitze kaum ankommen lassen. Mit einer Fristverschiebung könnte die Abstimmung auch noch in der letzten Woche vor Weihnachten stattfinden. Das gebe noch Luft für Nachverhandlungen.

Das Gesetz könnte theoretisch auch mit der Brechstange durchgedrückt werden, also über eine Verbindung mit der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers. Das käme aber einem Offenbarungseid gleich. Die Koalition würde eingestehen, dass sie nicht voll handlungsfähig ist.

Die Auswirkungen: Was macht das alles mit der Koalition?

Merz, Vizekanzler Lars Klingbeil und CSU-Chef Markus Söder traten nach der Sitzung des Koalitionsausschusses mit breiter Brust auf und werteten die Ergebnisse als Zeichnen der Handlungsfähigkeit der Regierung. 

Der Streit zeigt aber, wie fragil diese Koalition mit ihrer rechnerischen Zwölf-Stimmen-Mehrheit knapp sieben Monate nach ihrer Vereidigung ist. Vor ähnlichen Fällen ist sie nicht gefeit. Und bei den 18 jungen Abgeordneten der Union dürfte der Vertrauensverlust in den Kanzler nicht so schnell zu kitten sein.

© dpa-infocom, dpa:251128-930-351542/3

Das ist eine Nachricht direkt aus dem dpa-Newskanal.

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