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Balkan: Kosovo auf dem Weg zum eigenen Staat

UN-Vermittler Ahtisaari macht sich für das Kosovo als eigenen Staat stark. Das Gebiet soll unter Aufsicht der Europäischen Union gestellt und die serbische Minderheit geschützt werden.

Belgrad - Die abtrünnige südserbische Provinz Kosovo soll der jüngste europäische Staat werden. Der UN-Vermittler Martti Ahtisaari werde die eingeschränkte Souveränität dieser fast nur noch von Albanern bewohnten Region unter Aufsicht der Europäischen Union (EU) vorschlagen, hatten Diplomaten erklärt. Damit soll ein Schlüsselproblem des gesamten Balkanraumes gelöst werden, das zum Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Jugoslawien geführt hatte.

Ein zentraler Punkt der Vorschläge ist der Schutz der serbischen Minderheit, die heute noch rund 100.000 der zwei Millionen Einwohner ausmacht, hatte Ahtisaari schon angekündigt. Für sie werden Plätze im Parlament von Pristina reserviert. Nach dem Prinzip der "doppelten Mehrheit" können für die Minderheit wichtige Gesetze dort nur dann angenommen werden, wenn auch die Abgeordneten der Kosovo-Serben zustimmen. Zum Schutz der Serben werden neue Gemeinden gegründet, in denen sie im Polizei-, Schul- und lokalen Gerichtswesen das Sagen haben.

Die "Mutterrepublik" Serbien darf nach diesen Plänen die Minderheit finanziell unterstützen, die Mittel müssen jedoch über die albanischen Kosovo-Behörden fließen. Besonderen Schutz sollen die aus dem Mittelalter stammenden serbischen Klöster genießen, die den insgesamt zehn Millionen Serben auf der Balkanhalbinsel als "Wiege der Kultur" gelten.

Minderheitenschutz gegen Souveränität

Auf der anderen Seite wird das Kosovo dann von Serbien abgetrennt. Die EU wird Aufseher mit weitreichenden Rechten in die Provinz schicken, um die Einhaltung der neuen Regeln zu überwachen. In dem Maße, wie die Kosovo-albanischen Behörden den Minderheitenschutz für die Serben in die Praxis umsetzen, sollen sie immer mehr Souveränität erhalten. Schon in der Übergangszeit soll das Kosovo Zugang zu internationalen Finanzorganisationen bekommen, um mit Großkrediten die am Boden liegende Wirtschaft aufzubauen.

Die Ahtisaari-Pläne sollen vom UN-Sicherheitsrat noch im März oder April völkerrechtlich gutgeheißen werden. Da Russland jedoch mit einem Veto gedroht hat, bedarf es hoher diplomatischer Kunst, diesen Einspruch zu verhindern. Dazu wird es der UN-Vermittler vermeiden, in seinem Zukunftsszenario für das Kosovo klar und deutlich von der Unabhängigkeit dieser Provinz zu sprechen. Er setzt darauf, dass die tagtäglich praktizierte Souveränität unter EU-Führung nach einigen Jahren stillschweigend als Realität anerkannt wird. Moskau könnte dann im Weltsicherheitsrat einer praktischen Unabhängigkeit des Kosovos zustimmen, weil sie formaljuristisch nicht einmal erwähnt wird.

Anerkennung durch die Hintertür

Sollte Moskau trotz allem hart bleiben, erwägen Brüssel und Washington die bilaterale Anerkennung des neuen Staates unter Umgehung der Vereinten Nationen, haben Diplomaten hinter vorgehaltener Hand erklärt. Die EU will in die Region viel Geld pumpen, um durch Wohlstand dem Menschenschmuggel, dem Waffen- und Drogenhandel sowie der Zwangsprostitution den Nährboden zu entziehen.

Serbien dürfte sich noch lange nicht mit dem Verlust des Kosovos abfinden, denn seit Jahrzehnten haben heimische Politiker dieses Thema missbraucht, um ihre Landsleute aufzubringen und von eigenen Versäumnissen abzulenken. "Ahtisaari entreißt uns das Kosovo", titelt denn auch die Belgrader Zeitung "Press". (tso/dpa)

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