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Waldspaziergang in Buch, aufgenommen im Dezember.

© Detlef Schwarz

Kräfte sammeln zwischen den Jahren: In der Stille liegt die Kraft

Zuversicht brauchen wir. Mehr denn je. Sie ist nicht blinder Optimismus, sondern entsteht, wo wir Realitätssinn und Hoffnung in eine Balance bringen. Wie uns selbst. Jetzt ist Zeit dafür.

Stephan Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Zwischen den Jahren, in den stillen Tagen nach Weihnachten und vor Neujahr, öffnet sich ein besonderer Zeitraum. Er gehört weder ganz zum alten noch schon zum neuen Jahr. Diese Schwebe macht ihn so wertvoll. Während draußen oft eine winterliche Ruhe einkehrt und der Alltag langsamer wird, entsteht Raum für Stille, Besinnung und Besinnlichkeit – Qualitäten, die im restlichen Jahr häufig zu kurz kommen.

Stille ist in dieser Zeit mehr als nur das Fehlen von Geräuschen. Sie ist ein Gegenpol zur ständigen Erreichbarkeit, zum Lärm der Meinungen, Termine und Erwartungen. In der Stille können Gedanken auftauchen, die sonst überhört werden. Sie zwingt uns nicht, produktiv zu sein, sondern lädt dazu ein, einfach da zu sein. Gerade zwischen den Jahren darf Stille etwas Heilsames haben: Sie schafft Abstand zum Tempo der vergangenen Monate und schenkt dem Inneren Aufmerksamkeit.

Besinnung bedeutet, bewusst zurückzublicken. Das vergangene Jahr war geprägt von Höhen und Tiefen, von Erfolgen, Enttäuschungen, Begegnungen und Abschieden. In der Besinnung geht es nicht darum, Bilanz im Sinne von Leistung zu ziehen, sondern um Verstehen. Was hat uns bewegt? Was hat uns verändert? Wofür sind wir dankbar, was möchten wir loslassen? Diese Fragen brauchen Zeit – und sie brauchen Ruhe. Zwischen den Jahren ist ein guter Moment, ihnen ohne Druck zu begegnen.

Wer sich Zeit genommen hat, das Alte zu würdigen, kann dem Neuen gelassener begegnen.

Stephan-Andreas Casdorff

Besinnlichkeit wiederum verleiht dieser Zeit ihre besondere Stimmung. Kerzenlicht, gedämpfte Farben, leise Gespräche oder bewusstes Alleinsein schaffen eine Atmosphäre, die das Innehalten unterstützt. Besinnlichkeit ist kein nostalgischer Luxus, sondern eine Haltung. Sie erlaubt es, dem Alltäglichen wieder Bedeutung zu geben: einem Spaziergang, einem Buch, einem Gespräch ohne Eile. In solchen Momenten wird spürbar, dass Sinn nicht immer im Großen liegt, sondern im achtsamen Erleben des Augenblicks.

Aus der Ruhe heraus entsteht etwas

Zwischen den Jahren öffnet sich dadurch auch ein Blick nach vorn. Aus der Ruhe heraus können Wünsche und Vorsätze entstehen, die weniger von äußerem Druck geprägt sind. Wer sich Zeit genommen hat, das Alte zu würdigen, kann dem Neuen gelassener begegnen. Vorsätze werden dann nicht zu strengen Forderungen, sondern zu leisen Ausrichtungen: mehr Zeit fürs Wesentliche, mehr Mut zur Pause, mehr Aufmerksamkeit für sich selbst und andere.

Das Vergangene verstehen, das Gegenwärtige bewusst erleben

In einer Welt, die oft Geschwindigkeit belohnt und Stille als Leere missversteht, ist diese Zeit ein stiller Protest. Sie erinnert daran, dass der Mensch mehr ist als seine Leistung und dass Wachstum auch aus Ruhe entstehen kann. Die Tage vor Neujahr laden uns ein, nicht sofort weiterzueilen, sondern einen Moment stehenzubleiben. In der Stille, der Besinnung und der Besinnlichkeit zwischen den Jahren liegt die Chance, das Vergangene zu verstehen, das Gegenwärtige bewusst zu erleben und dem Kommenden mit Klarheit und Zuversicht zu begegnen.

Zuversicht ist nicht blinder Optimismus. Sie lebt von der Einschätzung: Es wird schwierig, aber es gibt Handlungsspielräume. Diese Balance aus Realitätssinn und Hoffnung macht sie stabil. Zuversicht wächst, wo Vertrauen, Sinn, Beziehung und Handlungsmöglichkeiten zusammentreffen, auch mitten in Unsicherheit. Sicherheit ist in schwierigen Zeiten selten erreichbar. Sinn dagegen schon. Sinn gibt Halt, wenn äußere Umstände schwanken.

Achtsamkeit, Akzeptanz und die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten, fördern Zuversicht. Wer nicht alles kontrollieren muss, kann dem Kommenden offener begegnen. Wer erlebt hat, dass und wie Schwierigkeiten früher gemeistert wurden, entwickelt Vertrauen in die eigene Fähigkeit, auch Zukünftiges zu schaffen. Diese Erinnerung an überwundene Krisen ist eine Quelle von Zuversicht. Und das Wissen, nicht allein zu sein; das stärkt Zuversicht.

Besinnen wir uns darauf, dass das neue Jahr in dieser Hinsicht ein Aufbruch zu neuem Miteinander sein kann. Zwischen den Einzelnen, in der Gesellschaft und nicht zuletzt unter den demokratischen Parteien.

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