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Politik: Kronzeuge im Visier

Grüne werfen dem Kölner Oberstaatsanwalt Bülles jetzt „potenzielle Falschaussage“ im Visa-Ausschuss vor

Berlin Vor dem Visa-Untersuchungsausschuss ist Egbert Bülles mit Vorwürfen nicht gerade sparsam umgegangen. „Diese ganze Schleusung ist mit Kenntnis und mit Billigung der Ministerien erfolgt“, gab der Oberstaatsanwalt des Kölner Schleuserprozesses, der den Visaskandal überhaupt erst auslöste, zu Protokoll. Außen- und Innenministerium hätten die Ermittlungen der Justiz in seinem Verfahren behindert. „Ich fand, da wurde mehr vernebelt als klargestellt“, befand Bülles vor dem Ausschuss. Anträge des Gerichts zur Überlassung von Akten seien abgeblockt und verzögert worden.

Egbert Bülles ist so etwas wie der Kronzeuge der Anklage gegen Außenminister Joschka Fischer (Grüne) im Visaskandal. Jetzt allerdings sieht es so aus, als habe sich der Kronzeuge möglicherweise nicht in jedem Fall richtig erinnert. Der Grünen-Obmann im Untersuchungsausschuss zumindest, Jerzy Montag, griff Bülles am Dienstag scharf an. Der Oberstaatsanwalt habe vor dem Visa-Ausschuss unsinnige Aussagen gemacht. Aus der Aufarbeitung der gesamten vorhandenen Akten gehe hervor, dass von einer Blockierung der Anklage nicht die Rede sein könne. „Wir haben kein einziges Blatt, keinen Vermerk gefunden, wo Herr Bülles Akten erbeten hätte und sie nicht bekam“, sagte Montag. Die Anschuldigungen von Bülles hätten sich als falsch erwiesen. Im Gegenteil: Noch heute lagerten im Auswärtigen Amt in Berlin „950 Kilogramm Akten“, die der Bundesgrenzschutz Köln in Zusammenarbeit mit Bülles aus der Botschaft in Kiew angefordert habe. Diese Unterlagen seien nie abgeholt worden. „Aus den Akten ist ersichtlich“, schlussfolgert jetzt Montag, „dass er, immer wenn er etwas angefordert hat, es auch bekommen hat“. Wie mit der „potenziellen Falschaussage“ von Bülles jetzt umgegangen werden sollte, sei aber „nicht meine Aufgabe“, so Montag. Das sei Aufgabe der Justiz. Nach Tagesspiegel-Informationen lagern jene vom BGS angeforderten Akten tatsächlich noch im Auswärtigen Amt. Oberstaatsanwalt Bülles selbst war am Dienstag zur Klärung der Vorwürfe nicht zu erreichen.

Nach Angaben von Montag hat Bülles noch in einem weiteren Fall eine falsche Anschuldigung erhoben, nämlich, dass alle Zeugen des Auswärtigen Amtes über Berlin nach Köln zur Vernehmung gefahren seien – möglicherweise, um ihre Aussagen mit der Regierung abzustimmen. „Alles Unsinn“, sagte dazu jetzt Montag. Drei von fünf Zeugen seien, das ergäben die Reiseabrechungen oder eigene Aussagen vor dem Ausschuss, von ihren Dienstsitzen aus Peking, Südafrika und Caracas direkt nach Köln gekommen.

Für die Missstände selbst bei der Visavergabe in der Botschaft in Kiew machte Jerzy Montag die Botschaft Kiew mitverantwortlich. Die „problematische Erlasslage“ des Auswärtigen Amts in den Jahren 1999 und 2000 sei zusammengetroffen mit einer „Mannschaft in Kiew, die der Sache nicht gewachsen war“. Insofern gebe es „einen Anteil der Zentrale und einen Anteil vor Ort“. In Köln stehen von Freitag an erneut zwei Schlüsselfiguren der Visa-Affäre vor Gericht: der im ersten Verfahren schon verurteilte Anatoli Barg und Heinz Kübler, der sich als Verkäufer von Reiseschutzpässen wegen der Beihilfe zur Schleusung verantworten muss.

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