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Atommülllager Asse (Archivbild)

© dpa

Niedersachsen: Leukämie-Zunahme nahe Atommülllager Asse

Im Umfeld des maroden Atommülllagers Asse bei Wolfenbüttel ist eine erhöhte Zahl von Leukämie-Fällen festgestellt worden. Schilddrüsenkrebs bei Frauen kommt sogar dreimal so oft vor wie üblich.

In der Elbmarsch südöstlich von Hamburg gibt es die weltweit höchste Häufung von Leukämiefällen bei Kindern und Jugendlichen. Umweltschützer glauben, dass Strahlung aus dem Atomkraftwerk Krümmel oder dem benachbarten Kernforschungszentrum GKSS den Blutkrebs ausgelöst hat. Beweisen lässt sich das aber nicht – ob Radioaktivität, chemisches Gift, Tabakrauch oder erbliche Disposition Krebs verursacht, ist im konkreten Fall kaum feststellbar. Offiziell ist die Ursache für die Krebserkrankungen an der Elbe unbekannt.

Dasselbe gilt nun für die Umgebung des Atommülllagers Asse. Am Donnerstagabend hatte ein NDR-Bericht die dort lebenden Menschen aufgeschreckt: Zwischen 2002 und 2009 sind in der Samtgemeinde Asse zwölf Männer und sechs Frauen an Leukämie erkrankt. Das ist eine signifikante Erhöhung vor allem bei Männern – ein Fall pro Jahr wäre statistisch zu erwarten gewesen. Frauen aus der Samtgemeinde bekamen zudem dreimal häufiger Schilddrüsenkrebs, als es der Statistik entspricht. Der Sender berief sich auf vorläufige Untersuchungsergebnisse des Epidemiologischen Krebsregisters Niedersachsen (EKN). Ein detaillierter Bericht des EKN soll Anfang Dezember fertiggestellt sein.

Das Register erfasst seit zehn Jahren flächendeckend Neuerkrankungen und Sterbefälle von Krebs. Das niedersächsische Sozialministerium und der Landkreis Wolfenbüttel haben die Angaben inzwischen bestätigt. „Wir wissen aufgrund des vorhandenen und bislang ausschließlich anonymisierten Datenmaterials aber noch nicht, welchen Einfluss zum Beispiel Lebensalter und Berufstätigkeit auf Erkrankungen haben“, sagte ein Ministeriumssprecher. Auch wie weit die Wohnungen der Betroffenen von dem Atomülllager entfernt liegen, war zunächst unbekannt.

Die Parteien in Niedersachsen reagierten bestürzt. Die Zahlen über das erhöhte Auftreten von Krebsfällen in der Umgebung des Atommülllagers Asse sind „sehr besorgniserregend“, sagte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel. Die Gefahr, dass die Asse gesundheitliche Risiken für Anwohner und Beschäftigte berge, „war nie auszuschließen“. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Schostok sprach von einem „Schock“. „Sollte die Häufung von Leukämiefällen tatsächlich mit dem Atommülllager in Zusammenhang stehen, dann wurde ein neues, dramatisches und tragisches Kapitel in der Historie der Atomenergienutzung aufgeschlagen“, sagte er. Die Linke forderte eine Umkehr der Beweislast: Die Betreiber der Asse müssten nachweisen, dass die Krebsfälle nicht auf Wirkungen des Atommülls zurückzuführen seien.

Auch CDU und FDP zeigten sich betroffen. „Wir wissen nicht, ob es einen Zusammenhang mit der Schachtanlage Asse gibt“, sagte der FDP-Landtagsabgeordnete Björn Försterling. „Aber wir können ihn auch nicht mit Sicherheit ausschließen.“ Das Sozialministerium in Hannover kündigte eine Unterrichtung des Landtags an, war aber auch bemüht, die Verantwortung für das weitere Vorgehen auch auf andere Behörden zu verlagern. Man setze darauf, dass der für die Gesundheitsvorsorge zuständige Kreis Wolfenbüttel und das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als Asse-Betreiber die Menschen umfassend über die jüngsten Ergebnisse informierten. Das BfS erklärte, den Berichten über eine Erhöhung der Krebsfälle in der Region um die Asse müsse „konsequent nachgegangen“ werden. Im Vordergrund stehe dabei die Frage, ob es einen Zusammenhang mit dem Betrieb des Endlagers Asse geben könnte.

Das BfS ist seit Anfang 2009 für die Asse zuständig und hat seitdem die Strahlenschutz- und Überwachungsmaßnahmen verstärkt. Dazu gehören Schutzvorkehrungen unter Tage sowie die Überwachung der möglichen Austrittswege von Radioaktivität. Die Überwachungsmessungen über und unter Tage zeigten, „dass zum jetzigen Zeitpunkt von der Asse weder für die Beschäftigten noch für die Bevölkerung eine Gefahr ausgeht“, sagte ein BfS-Sprecher.

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