
© Daniel Reinhardt/dpa
Newsblog zur Einigung von Union und SPD: Olaf Scholz lässt Wechsel nach Berlin offen
Union und SPD haben sich nach zähem Ringen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Jetzt steht der Mitgliederentscheid bei den Sozialdemokraten bevor. Die aktuellen Ereignisse und Reaktionen im Newsblog.
- Oliver Bilger
- Marius Mestermann
Stand:
Die wichtigsten Themen im Überblick:
- Wer bekommt welches Ministeramt in der Groko?
- Die CDU zahlt einen hohen Preis für die neue Regierung
- Pro und Kontra vor dem Mitgliederentscheid: Scheitert die Koalition noch an der SPD-Basis?
- Als erste der drei beteiligten Parteien hat die CSU den schwarz-roten Koalitionsvertrag gebilligt
- Hamburger Bürgermeister Scholz lässt Wechsel nach Berlin offen
Der scheidende SPD-Außenminister Sigmar Gabriel rechnet mit Martin Schulz und der Partei ab
Sigmar Gabriel betonte in einem Interview mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass er die Personalentscheidung nicht kritisiere, da jede neue SPD-Führung das Recht auf die Neubesetzung von Ministerposten habe. Politiker seien "Gewählte und keine Erwählten". "Was bleibt, ist eigentlich nur das Bedauern darüber, wie respektlos bei uns in der SPD der Umgang miteinander geworden ist und wie wenig ein gegebenes Wort noch zählt", fügte Gabriel hinzu.
Welches Versprechen er meint, sagte er nicht. Gabriel hatte im Januar zugunsten von Martin Schulz auf den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur verzichtet, um Außenminister zu werden. Es wird seither kolportiert, dass Schulz ihm damals für den Fall einer neuen großen Koalition versprochen hat, dass er das Außenamt behalten darf.
Seine weiteren Äußerungen lesen Sie hier.
Die Jusos Nordoberpfalz wollen eine Minderheitenregierung
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sieht weitere politische Perspektiven für den geschäftsführenden Vizekanzler und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD). Gabriel habe großartige Arbeit geleistet in der deutschen Politik, sagte Weil am Donnerstag bei der Jahresauftaktklausurtagung der niedersächsischen Sozialdemokraten in Springe bei Hannover. „Ich bin sicher, wir werden weiter von ihm hören. Das ist nicht das Ende seiner politischen Arbeit und auch nicht seiner politischen Karriere.“ Weil fügte hinzu, er freue sich auf die Aufgaben, die Gabriel künftig übernehmen werde. SPD-Chef Martin Schulz hatte am Mittwoch nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der CDU erklärt, dass er selbst in einer neuen Regierung Außenminister werden wolle. Damit ist das weitere politische Schicksal von Gabriel ungewiss. Als Minister für ein anderes Amt ist er nicht im Gespräch. Er selbst warf der SPD-Führung Wortbruch vor.
Jusos starten bundesweite #NoGroKo-Kampagne
Der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation Jusos, Kevin Kühnert, startet mit einer Diskussionsveranstaltung am Freitag um 17 Uhr in Leipzig eine bundesweite Kampagne für ein Nein zur großen Koalition beim SPD-Mitgliederentscheid. Geplant sind in der Regel zwei Veranstaltungen pro Tag. Kühnert ist energischer Kritiker einer neuen Koalition mit CDU/CSU, da er einen weiteren Profilverlust der Sozialdemokraten befürchtet, die in Umfragen auf 17 Prozent gefallen sind.Der Mitgliederentscheid wird vom 20. Februar bis 2. März stattfinden. Ausgezählt wird in der SPD-Zentrale ab dem 3. März. Am 4. März soll das Ergebnis verkündet werden. Insgesamt können 463 723 SPD-Mitglieder über den Koalitionsvertrag mit CDU und CSU abstimmen.
Seehofer: Von der CSU geforderte Obergrenze ist im Vertrag enthalten
Am Donnerstag stimmten der CSU-Vorstand und die CSU-Landtagsfraktion für den Vertrag mit CDU und SPD. Horst Seehofer verteidigte den Koalitionsvertrag gegen Kritik. Es gebe "keinen einzigen Punkt, den man nicht verantworten könnte". Mit Blick auf die von SPD-Chef Martin Schulz reklamierte sozialdemokratische Handschrift in dem Papier sagte Seehofer, "wir haben manches verhindert wie die Bürgerversicherung." Auch die von der CSU geforderte Obergrenze für Flüchtlinge findet sich nach seiner Lesart in dem Vertrag. Manche täten sich mit der von der CSU geforderten Zahl 200.000 schwer. Es sei deshalb ein Korridor von maximal 180.000 bis 220.000 festgelegt worden. Wer genau hinsehe, stelle fest, dass die von der CSU geforderte Zahl von 200.000 da genau die Mitte sei. (AFP)Umfrage: 60 Prozent der SPD-Anhänger für Groko
Etwa 60 Prozent der SPD-Anhänger wünschen sich einer Umfrage zufolge das Zustandekommen der großen Koalition. Ein Drittel der Befragten sprach sich gegen die Groko aus, wie das Meinungsforschungsinstitut Civey für das Nachrichtenportal "t-online" ermittelte. Die Umfrage ergab zugleich, dass 57 Prozent aller Befragten wollen, dass die SPD-Basis die Koalition bei dem Mitgliederentscheid verhindert.
66 Prozent der Unions-Anhänger befürworten eine Koalition mit der SPD. Unter Grünen-Anhängern halten sich Gegner und Befürworter etwa die Waage. Anhänger von FDP, Linke, AfD und anderen Parteien würden sich mit großer Mehrheit wünschen, dass die SPD-Basis die Koalition noch scheitern lässt.
Civey befragte nach dem Bekanntwerden der Einigung von Union und SPD am Mittwoch 5127 Menschen. (AFP)
Sicherheitskonferenz: Schulz fährt doch nicht hin
Nach der Absage von Sigmar Gabriel an die Münchner Sicherheitskonferenz wird Martin Schulz nicht als Ersatz einspringen. "Es ist nicht geplant, dass Martin Schulz an der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen wird", teilt ein Sprecher zu entsprechenden Spekulationen mit. Schulz und Fraktionschefin Andrea Nahles träten an dem Wochenende auf mehreren regionalen SPD-Dialogveranstaltungen auf, um die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen vorzustellen. (Reuters)CSU billigt als erste Partei Koalitionsvertrag
Die CSU hat als erste Partei einer möglichen neuen großen Koaliton den Koalitionsvertrag gebilligt. Als letztes CSU-Gremium stimmte am Donnerstag die CSU-Landtagsfraktion in München für den Vertrag mit CDU und SPD, wie ein Fraktionssprecher auf Anfrage sagte. Der Vertrag sei ohne eigentliche Abstimmung gebilligt worden; zuvor hatten die CSU-Landesgruppe und der CSU-Vorstand einstimmig zugestimmt. (AFP)SPD-Linke fordern Urwahl über künftigen Parteivorsitz
Nach der Rückzugsankündigung von SPD-Chef Martin Schulz haben Parteilinke und Gegner einer großen Koalition zu einer Urwahl über den künftigen Parteivorsitz aufgerufen. Dazu forderten Bundestagsabgeordnete und Landespolitiker sowie der Verein "NoGroKo" Schulz und den gesamten SPD-Vorstand am Donnerstag in einem offenen Brief auf. Sie reagierten damit auf die Ankündigung von Schulz, die Parteiführung an Fraktionschefin Andrea Nahles übergeben zu wollen.Zu den Unterzeichnern des Briefs gehören unter anderem die Bundestagsabgeordneten Hilde Mattheis und Marco Bülow sowie der Vorstand des Vereins "NoGroKo". Sie verwiesen darauf, dass Schulz erst im Dezember als Vorsitzender wiedergewählt worden sei. Gerade einmal zwei Monate später werde nun bekannt, "dass Du, Martin, als Parteivorsitzender, dieses Votum missachtest und ein kleiner Kreis vorentscheidet, dass der Parteivorsitz durch Andrea Nahles übernommen werden soll", heißt es in dem Brief.
Damit würden der Parteitag und die Entscheidungskraft der Delegierten und der ganzen Partei "ad absurdum geführt", kritisierten die Parteilinken. "Dies ist für uns nicht akzeptabel." Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl habe Schulz eine "umfassende Reform der SPD und eine deutlich stärkere Mitbestimmung von Mitgliedern auch in Personalfragen angekündigt". Deshalb forderten sie jetzt, eine Urwahl des Parteivorsitzes auf den Weg zu bringen.
Schulz hatte am Mittwoch nach der Einigung auf einen Koalitionsvertrag mit der Union angekündigt, sich als Parteichef zurückziehen zu wollen. Er will stattdessen Außenminister werden, für den Parteivorsitz schlug er Nahles vor. Sein Amt will er nach dem SPD-Mitgliedervotum über den Koalitionsvertrag abgeben. Das Ergebnis der Befragung steht Anfang März fest. (AFP)
Linken-Chefin Kipping: Ostdeutschland kommt im Koalitionsvertrag viel zu kurz
Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping hat Union und SPD vorgeworfen, dass der Osten Deutschlands im Koalitionsvertrag viel zu kurz komme. "Mittlerweile gibt es nicht mal mehr ein dezidiertes Ost-Kapitel, sondern Ostdeutschland wird da einfach den 'ländlichen Räumen' zugeordnet, sagte Kipping am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP. "Stiefväterlicher geht es kaum." Dahinter verberge sich "politische Verantwortungslosigkeit und Kurzsichtigkeit".Für die Ostdeutschen verbessere sich mit der neuen großen Koalition überhaupt nichts. "Es gibt keinen Plan zur Angleichung der Ost-Löhne, keine Beendigung von Diskriminierungen, keine Gerechtigkeit bei den DDR-Renten", sagte Kipping.
Sie frage sich, ob Kanzlerin Angela Merkel (CDU) "in ihrem westdeutschen Groko-Personaltableau überhaupt einen einzigen Ossi findet", der oder die Ostbeauftragte werden könnte. Bislang kursieren für Ministerposten ausschließlich Namen von westdeutschen Politikern.
Deshalb fordere die Linke die Schaffung eines Ost-Ministeriums, "denn die Belange der Menschen in Ostdeutschland fallen sonst unter den Tisch", sagte Kipping. (AFP)
AfD-Chef Meuthen sieht nach Koalitionsbeschluss "goldene Zeiten für die Opposition"
Der Bundesvorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, sieht nach dem von Union und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag "goldene Zeiten für die Opposition". Gleichzeitig stünden aber "schlechte Zeiten für Deutschland" bevor, sagte Meuthen am Donnerstag im Interview mit dem Fernsehsender Phoenix. Im Wesentlichen sei der Vertrag ein massiver Ausgabenhaushalt, der Angriffspunkte in jedem einzelnen Politikfeld biete. "Dieser Koalitionsvertrag ist ein Offenbarungseid", kritisierte Meuthen.Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unterstellte der AfD-Politiker als zentrales Ziel den eigenen Machterhalt. Deutliche Kritik übte Meuthen, der auch Mitglied des EU-Parlaments ist, an der geplanten Europapolitik: "Wenn wir etwas nicht brauchen, dann noch mehr Geld nach Brüssel, das im Wesentlichen in die südeuropäischen Länder reinfließen wird."
Bei einer Neuauflage der großen Koalition ist die AfD stärkste Oppositionspartei im Bundestag. (AFP)
Bouffier: Abgabe von Finanzministerium schmerzlich
Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat Kritik an der geplanten Ressortverteilung in einer schwarz-roten Bundesregierung zurückgewiesen. „Wir haben eine ganze Reihe wichtiger Ministerien“, sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende in Wiesbaden. Schmerzlich sei die Abgabe des Finanzministeriums an die SPD gewesen, dafür erhalte die CDU das Wirtschaftsministerium. „Ja, das war am Ende ein Kompromiss, den will ich nicht schöner reden, als er ist.“ Zugleich sei aber die Frage gewesen, was die Alternative zur großen Koalition gewesen wäre.Bouffier kritisierte zugleich die SPD und deren Mitgliederentscheid. Er sein kein Freund dieses Votums, denn die eigentliche Entscheidung hätten bereits die Wähler getroffen. Die SPD ringe mit sich selbst, Martin Schulz sei ein Parteivorsitzender auf Abruf und ein Teil der Partei wolle die Koalition mit der Union überhaupt nicht. Die SPD habe eine Achterbahnfahrt hingelegt, die Union sei dagegen die einzig stabile politische Kraft in Deutschland. Nun müsse Vertrauen wachsen zwischen den Koalitionären. Union und SPD hatten sich am Mittwoch auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. (dpa)
Hamburger Bürgermeister Scholz lässt Wechsel nach Berlin offen
Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der Einigung von Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag keine Klarheit über seine politische Zukunft geschaffen. Es sei ja nun bekannt, dass die SPD das Finanzministerium bekomme, sagte Scholz am Donnerstag bei einem Termin in Hamburg. „Dass sich in einer solchen Situation alle Blicke auf mich richten, ist jetzt auch nicht weiter erstaunlich.“ Es sei aber vereinbart worden, bis zum Abschluss der SPD-Mitgliederbefragung keine Auskünfte über die geplante Kabinettszusammensetzung zu geben, sagte Scholz. Der 59-Jährige soll nach dpa-Informationen in einer großen Koalition Finanzminister und Vizekanzler werden. (dpa)Unions-Wirtschaftsflügel: Ressortaufteilung geht „ins Mark der CDU“
Der Wirtschaftsflügel der Union hat die Ressortaufteilung in der geplanten großen Koalition mit dem Verlust des Finanzressorts an die SPD massiv kritisiert. Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU, Carsten Linnemann, sagte am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur, die Ressortaufteilung wiege schwer und gehe „mitten ins Mark“ der CDU. „Für unsere Partei könnte sich der 7. Februar 2018 als Zäsur herausstellen, als Anfang vom Ende der Volkspartei CDU.“Die CDU laufe Gefahr, massiv an Bedeutung zu verlieren und ihre Überzeugungen in für die Zukunft Deutschlands zentralen Bereichen wie der Europa- und Haushaltspolitik aufzugeben. „Die CDU war in diesen Themen immer Garant für Solidität. Das ist jetzt infrage gestellt.“
Die Verteilung der Ministerien lasse jede Ausgewogenheit vermissen, kritisierte Linnemann. „Sie widerspricht allen Regeln, die es bislang unter Koalitionären gab: nämlich eine ausbalancierte, gerechte Verteilung der wichtigsten Ministerien. Wer aber die Hoheit über Auswärtiges, Finanzen sowie Arbeit und Soziales in die Hand des deutlich kleineren Koalitionspartners legt, gibt seinen Gestaltungsanspruch in entscheidenden Bereichen ab.“
Das Bundesfinanzministerium war bisher CDU-geführt, das Ressort soll aber nun laut Koalitionsvertrag an die SPD gehen. Mehrere Unionsabgeordnete hatten dies bereits heftig kritisiert.
Linnemann sagte mit Blick auf die Abgabe des Ressorts , um so mehr müsse sich die Unionsfraktion wieder selbstbewusst und unabhängig vom Regierungshandeln präsentieren. „Wir müssen wieder mehr Bundestagsfraktion werden und weniger Regierungsfraktion. Wir müssen die Gesetze, die vom Kabinettstisch in den Bundestag kommen, genau prüfen und, wenn nötig, den Mut aufbringen, Regierungshandeln infrage zu stellen. Dann kann in der Fraktion auch wieder der Funke entfacht werden, der unsere Partei revitalisiert und zu ihren Markenkernen zurückführt.“ (dpa)
BA-Chef Scheele strebt nicht Scholz-Nachfolge an
Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, steht nicht als Nachfolger des voraussichtlich ins Bundeskabinett wechselnden Ersten Hamburger Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) zur Verfügung. In einer Mitteilung erklärte der frühere Hamburger Sozialsenator am Donnerstag, er sei seit einem Jahr Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur. „Das bin ich sehr gern, und das will ich weitermachen.“Der Koalitionsvertrag habe der Bundesagentur-Führung die eine oder andere zusätzliche Aufgabe übertragen, die jetzt angegangen werden müsse. „Es gibt also keinen Grund für mich, meine berufliche Position zu verändern. Falls es notwendig wird, gibt es sicher gute und geeignete Kandidatinnen und Kandidaten in Hamburg für das Amt des 1. Bürgermeisters“, betonte Scheele. Scholz soll in der künftigen schwarz-roten Koalition voraussichtlich das Amt des Finanzministers übernehmen. (dpa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: