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Christian Klein, Vorstandssprecher von SAP.

© Phil Dera

Die EU und ihre größten Herausforderungen: So lief die Konferenz „Europe 2022“

Am dritten Tag der Konferenz lag der Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation. Im Blog lesen Sie die spannendsten Aussagen und Thesen nach.

Stand:

Der Tagesspiegel, Die Zeit, das Handelsblatt und die WirtschaftsWoche luden vom 7. Februar bis zum 9. Februar zum gemeinsamen Jahresauftakt "Europe 2022" ein. Das Thema: Die EU und welchen Herausforderungen sie sich in diesem Jahr stellen muss.

Eine Zusammenfassung der Diskussionsrunden und Vorträge der drei Tage können Sie hier im Blog nachlesen. Am Mittwoch ging es um die Themen Nachhaltigkeit und Innovation. Unter diesem Link finden Sie das gesamte Programm für die drei Tage.

Die Veranstaltung wurde durchgeführt von der Convent Gesellschaft für Kongresse und Veranstaltungsmanagement GmbH, einem Unternehmen der Zeitverlagsgruppe.

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Tanja Kunesch

Das war die Konferenz „Europe 2022“

Im Blog können Sie die wichtigsten Veranstaltungen, Zusammenfassungen und Zitate der vergangenen drei Tage nachlesen. 

Tag 1 drehte sich um die Europäische Union und ihre Außenbeziehungen. 

Tag 2 hatte Digitalisierung und Technologie als Schwerpunkt.

An Tag 3 lag der Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation.
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Tanja Kunesch
Terry Reintke (l.), Marie Chureau (Mitte), Susanne Zels (r) und Dilan Gropengiesser von ZEIT ONLINE (r. außen).
Terry Reintke (l.), Marie Chureau (Mitte), Susanne Zels (r) und Dilan Gropengiesser von ZEIT ONLINE (r. außen).   Bild: Phil Dera

Was junge Leute auf EU-politischer Ebene bewegen können

Junge Changemaker werden immer wichtiger, um politische Prozesse auf europäischer Ebene in Gang zu bringen. Das zeigen die jungen Aktivistinnen Marie Chureau von Youth for Climate, Susanne Zels, Gründern von Values Unite sowie Terry Reintke, Politikerin im Europäischen Parlament. 

Wie essentiell Bildung sei, darüber seien sich zwar viele einig, sagt Susanne Zels. Doch die nötigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um den Menschen in jedem Land einen gleich guten Zugang zu zivilgesellschaftlicher Bildung zu ermöglichen. Ohne das nötige Wissen können wir nicht von den Menschen erwarten, für unsere Werte zu kämpfen, sagt Zels. Darum bemüht sie sich im Austausch auf nationaler und internationaler Ebene.

Wie weit der Weg noch ist, zeigt EU-Politikerin Terry Reintke. Minderheiten seien weiterhin stark unterrepräsentiert im EU-Parlament, auch die Frauenquote liege nur bei 40 Prozent. Gerade die Angriffe auf Frauen und die LGBTIQ-Community hätten einen negativen Effekt auf die demokratische Teilhabe. „Wir müssen uns dagegen wehren. Wir leben in vielfältigen Gesellschaften, und das Parlament sollte diese auch abbilden“, sagt sie. Reintke plädiert dafür, mehr die positiven Vorbilder herauszustellen, damit diese als Anreiz dienen. Aber auch Parteien sollten sich mehr um Diversität bemühen.

Marie Chureau von der Youth for Climate Bewegung ist mit Aktivist:innen auf der ganzen Welt vernetzt und kann bereits von der Diversität profitieren: „Wir leben alle anders, wir arbeiten alle anders. Das ist so bereichernd und wichtig“, sagt sie. Mit ihrer Bewegung versucht sie, so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu generieren, um für einen besseren Klimaschutz einzutreten. Das ist nicht immer leicht: „Wenn der Präsident nichts tun will, passiert nichts.“

Für Zels ist der Prozess über Parteien vielleicht auch nicht mehr der richtige Weg, um etwas zu verändern. Sie nennt deren Arbeitsweise „old fashioned“ und „langsam“: „Demokratie hat ihre Gründe, warum sie langsam ist. Aber so funktionieren unsere Gesellschaften nicht mehr“, sagt sie. Digitale Demokratisierung könnte hier vielleicht Abhilfe schaffen. 

Diesen Frust kann Reintke gut nachvollziehen, oft würden Entscheidungen nicht schnell genug  getroffen werden, gerade bei wichtigen Dingen. Aber sie sieht auch, was sich in den vergangenen Jahren im Parlament bereits getan hat: „Vor acht Jahren war es so schwer, das Thema Klimawandel überhaupt auf  die Agenda zu setzen, auch in den kleinsten Ansätzen“, sagt sie. „Mit der Fridays for Future Bewegung kam plötzlich Schwung rein, und wir hatten eine Mehrheit. Das gibt mir viel Hoffnung, dass wir noch etwas ändern können.“

Ihr Appell an die jungen Leute ist daher: „Engagiert euch, organisiert euch. Nutzt den Raum, den wir in der Demokratie haben, um Druck auf die Politiker:innen auszuüben“, sagt sie. 
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Tanja Kunesch
Steffi Lemke ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
Steffi Lemke ist Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.   Bild: Phil Dera

Bundesumweltministerin Lemke will Klage gegen Taxonomie prüfen

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz hält es für möglich, dass sich Deutschland der Klage von Österreich und Luxemburg gegen die EU-Taxonomie anschließt. „Ich kenne die österreichische Klageschrift noch nicht. Wir werden prüfen, was für Aspekte dort vorgelegt sind und wie tragend sie sind. Wir werden dies dann innerhalb der Bundesregierung erörtern und eine Position dazu finden“, sagt sie.

Zu dem vor wenigen Tagen von der Europäischen Kommission vorgelegten Taxonomie-Rechtsakt, in dem Atomkraft und Erdgas als klimafreundliche Übergangstechnologien behandelt werden, sagt die Grünen-Politikerin: „Für beide Energieträger wäre es nicht notwendig gewesen, einen ‚Delegated Act‘ zu erlassen. Das ist schon Greenwashing, was da passiert, wenn versucht wird, für die Langfristschiene hier ein Nachhaltigkeitssiegel draufzukleben.“ Das konterkariere die Taxonomie. (Tsp)
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Tanja Kunesch
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).   Bild: Phil Dera

Habeck nennt französische Energiepolitik eine „altmodische Industrie“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich kritisch über die französische Energiepolitik ausgelassen. Frankreich habe 50 Atomkraftwerke, von denen aktuell wegen Wartungsarbeiten und Defekten zehn nicht am Netz seien. „Frankreich importiert im Moment aus Deutschland Strom mit der ach so sicheren Atomkraft“, sagt Habeck. 

Im Gespräch mit dem Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Beat Balzli, erneuert der Vizekanzler seine Kritik an der EU-Kommission, die in ihrem delegierten Rechtsakt der sogenannten Taxonomie Atomkraft und Erdgas als nachhaltig gelabelt hat. „Ich halte das für eine Chimäre dieses Jahres, dass man glaubt, Atomkraft ist die günstigere und sicherere Energie“.

Mit Blick auf den Weltmarkt, verweist der Grünen-Politiker darauf, dass neue Atomkraftwerke schon jetzt teureren Strom produzieren würden als neue Offshore-Windanlagen. „Natürlich ist die Infrastruktur anspruchsvoller“, sagt Habeck über die erneuerbaren Energien. „Anspruchsvoll ist aber der Treiber von Innovation“, sagt Habeck weiter.

Den Weg des Nachbarlandes hält der Vizekanzler daher für falsch: „Das, was Frankreich im Moment macht ist eine sehr planwirtschaftliche, gedeckelte Energieversorgung einer altmodischen Industrie.“ Die alten Atomkraftwerke müssten pro Meiler für ungefähr zwei Milliarden Euro renoviert werden – und dann seien sie immer noch störungsanfällig, sagt Habeck. „Je älter die werden, desto unsicher werden sie“, sagt Habeck, der in Schleswig-Holstein, in seiner Zeit als Minister für Landwirtschaft und die Energiewende für drei Atomkraftwerke verantwortlich war.

Auch die neuen Atomkraftwerke, wie sie beispielsweise im Norden von Frankreich gebaut werden sollen, würden sich in der Planung um das vierfache verzögern „und die Kosten gehen in das Gigantische“. Mittelfristig werde nicht Frankreich, sondern Deutschland energiepolitisch besser dastehen, sagt Habeck und nannte dabei das Jahr 2030. „Es wird ein Standortvorteil für die deutsche Wirtschaft sein, diesen Weg zu gehen.“ (Felix Hackenbruch)
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Tanja Kunesch
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).   Bild: Phil Dera
Ein bisschen guter Wille für den Ausbau Erneuerbarer Energien
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat sich optimistisch geäußert, bei der Energiewende auf erneuerbare Energien schnell voranzukommen. „Mit ein bisschen gutem Willen bekommen wir es hin, genug Energie in Deutschland zu produzieren und trotzdem in einem Land zu leben, das man Heimat nennen kann“, sagt Habeck am Mittwochabend auf der Konferenz „Europe 2022“. Im Gespräch mit dem Chefredakteur der Wirtschaftswoche, Beat Balzli, erläutert der Vizekanzler seinen Plan, um das das Ziel der Bundesregierung, bis 2030 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien herzustellen.

„Am Ende muss es eine Nachfrage nach dem Ausbau von erneuerbaren Energien geben“, sagt Habeck. Darauf arbeite man hin, indem man die Bürgerinnen und Bürger in Zukunft wieder stärker beteiligen wolle beim Bau von Windparks. „Dann sind da die Windanlagen, die greifen in die Landschaft ein, aber man kann damit Geld verdienen“, sagt der Grünen-Politiker. Kommunen könnten sich durch Beteiligung an Windparks entschulden, skizzierte Habeck weiter. 

„Die Schule wird renoviert, die Schwimmbäder haben wieder offen, das Internet ist ein schnelles Internet – alles durch den Ausbau der erneuerbaren Energien“, so der Wirtschaftsminister.
Noch sei man jedoch nicht so weit, gibt Habeck zu. Im Moment gebe es noch viele Bedenken, er müsse „Klinken putzen“. Dafür machte er zum Teil auch seine Vorgänger im Amt verantwortlich. Die vergangenen Jahre hätten eine „nicht strategisch fokussierte Phase“ dargestellt, sagt Habeck.

Allerdings erlebe er ein Umdenken. „Die Industrie hat einen wahnsinnigen Hunger nach Erneuerbaren Energien“, sagte Habeck. Vor allem Wasserstoff sei für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen notwendig. Der Wasserstoff werde jedoch dort produziert, wo auch der Strom produziert werde. Ein Fingerzeig in Richtung Bayern, wo die bayerische CSU-Landesregierung um Ministerpräsident Markus Söder den Ausbau der Windkraft lange ausgebremst hat. Habeck äußerte die Hoffnung, dass man auch in Bayern den Ruf der Wirtschaft höre. „Man muss am Ende Wahlkämpfe gewinnen mit dem Einsatz für die erneuerbaren Energien.“ (Felix Hackenbruch)
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Christiane Woopen (l.o.), Eyal Zimlichman (r.o.), Jens Baas (Mitte) und Markus Leyck Dieken (r.).
Christiane Woopen (l.o.), Eyal Zimlichman (r.o.), Jens Baas (Mitte) und Markus Leyck Dieken (r.).   Bild: Phil Dera

Digitale Patientenakten – Weg zum „gläsernen Mensch“ oder echter Fortschritt?

 In China habe eine schlechte Gesundheitsversorgung, ein Mangel an Ärzten und Krankenhäusern dazu geführt, dass das Land diese Not mit Technologie ausgleichen wolle, berichtet die Auslandskorrespondentin Dana Heide vom Handelsblatt. Viele große Unternehmen investieren massiv in den Bereich. Daten seien aber auch leichter verfügbar als in Deutschland, die Gesetze zum Schutz seien deutlich geringer ausgeprägt, sagt sie. 

Wie mit Patientendaten umgegangen werden soll, ist eine ethische Frage die Christiane Woopen von der Universität Bonn beschäftigt. Aus der ethischen Perspektive sei es für sie eigentlich eine Pflicht, Daten qualitativ in die Forschung einzuspeisen und anschließend wieder in das System zurück zu bringen. „Um ein lernendes System aufzubauen“, sagt sie. „Gesundheit ist ein ethisch herausragendes Gut“. So könnten Daten aus ganz unterschiedlichen Lebensbereichen zusammengeführt und Profile erstellt werden. Das wäre relevant für Prävention und Therapien, gehe aber auch klar in Richtung „gläserner Mensch“, sagt Woopen. Für diese Ambivalenz seien bestimmte Sicherheitsmaßnahmen nötig, wie zum Beispiel Verwertungsgebote. 

Wie gut es mit dem Datenmanagement funktionieren kann, zeigt der Blick nach Israel. Eyal Zimlichman des Sheba Medical Center sagt, sie hätten schon vor 20 Jahren die Entscheidung getroffen, Daten digital auszutauschen. „100 Prozent aller Anbieter sind in dem System“, sagt er. So  konnte sich Israel auch den enormen Vorsprung in der Impfquote gegen das Coronavirus holen: „Sobald irgendwo ein Test gemacht wurde, wurde das im gesamten System ausgetauscht. 
Das hat uns wirklich geholfen, sehr schnell zu handeln“, sagt Zimlichmann.

Das jetzige Problem der digitalen Patientenakten, „viele bringen noch nichts. Es gibt keinen großen Vorteil“, sagt Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Das sieht auch Markus Leyck Dieken des Unternehmens gematik so: „Die Ärzte brauchen Zeit, derzeit sind alle noch mit Corona beschäftigt“. Er ist sich aber sicher, dass dieses Jahr eine neue Patientenakte kommen werde, sobald die Ärzte wieder etwas Luft haben, die Krankenkassen dafür werben und die Patienten den Nutzen erkennen. 
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Steffi Lemke (links), Bundesumweltministerin.
Steffi Lemke (links), Bundesumweltministerin.   Bild: Phil Dera

Bundesumweltministerin Steffi Lemke zeigt Verständnis für Berliner Autobahn-Blockierer

Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, zeigt Verständnis für die Vorgehensweise von Klimaaktivisten, die in Berlin regelmäßig Autobahnen blockieren. „Es ist absolut legitim, für seine Anliegen zu demonstrieren und dabei auch Formen des zivilen Ungehorsams zu nutzen“, sagte sie bei einer Gesprächsrunde der Europe 2022-Konferenz des Tagesspiegel, der ZEIT, des Handelsblattes und der WirtschaftsWoche.

Dabei verwies sie auf ihre eigene Vergangenheit und die friedliche Revolution in der ehemaligen DDR, räumte jedoch ein, dass dies nicht ganz vergleichbar sei. Lemke machte auch deutlich, dass bei solchen Protestaktionen „keine Menschen zu Schaden kommen dürfen und dass niemand durch zivilen Ungehorsam auf eine Art und Weise tangiert wird, dass Schaden eintreten könnte.“ Es sei Auftrag und Verpflichtung der Politik – Regierung wie Opposition – eine Radikalisierung der Klimaaktivisten zu verhindern, indem sie dem Handlungsauftrag der bei der Klimakonferenz in Paris eingegangen Verpflichtung auf die Klimaziele nachkomme. (Tsp)
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Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse
Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse   Bild: Phil Dera

Gesundheitssysteme als Datengeschäfte – Europa hingt weit hinterher

Europa und insbesondere Deutschland hängt weltweit extrem hinterher, was das elektronische Datenmanagement angeht, findet Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. „Es ist unstrittig, dass Daten uns helfen können, die Versorgung zu verbessern“, sagt er. Das Gesundheitssystem sei ein „absolut datengetriebenes Geschäft“.  

Das Problem in Europa sei die „ausgeprägte Fragmentierung der Gesundheitssysteme“. So könne es keine gemeinsame Datengrundlage geben. „In Deutschland muss immer alles perfekt sein, wenn wir etwas machen. So funktioniert das nicht in der Digitalisierung“, sagt Baas. Man müsse auch einfach irgendwo starten. Zwar habe Deutschland einen guten Rechtsrahmen durch die DSGVO, aber auch hier gebe es zu viele Beauftragte, die es unterschiedlich auslegen, sagt Baas. Es fehle einfach die Einigkeit. 

Der Blick auf die USA und China, die Künstliche Intelligenz schon weit mehr in ihre Gesundheitssysteme integriert haben, füllt Baas mit Sorge: China gebe zum Beispiel dreistellige Milliardenbeträge für die Förderung von KI aus, Deutschland nur zweistellige. „Wir sind in großer Gefahr ins Hintertreffen zu gelangen und dadurch unser Gesundheitssystem zu gefährden“, sagt er. Denn: „Wenn wir deren Systeme nutzen, verlieren wir die Hoheit über das eigene Gesundheitssystem.“

Wichtig wäre nun, die Datennutzung europäisch anzugehen. „Daten sind eine Frage der Menge“, sagt Baas. Zudem brauchen wir eine ethische Diskussion um die Datennutzung und eine klare, übergreifende Regelung. Am wichtigsten sind für Baas jedoch umsetzbare Projekte: „Wir sollten lieber anfassbare Dinge machen, als zu warten, bis alles perfekt ist.“
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Tanja Kunesch
Lisa Nienhaus von der ZEIT (l.o.), Matthias Koop (r.o.), Ambroise Fayolle (l.u.) und Joachim von Schorlemer (r.u.).
Lisa Nienhaus von der ZEIT (l.o.), Matthias Koop (r.o.), Ambroise Fayolle (l.u.) und Joachim von Schorlemer (r.u.).   Bild: Phil Dera

Die grüne Transformation der Wirtschaft gelingt nur in Zusammenarbeit – und mit Standardisierungen

„All unsere Projekte müssen im Einklang mit den Paris-Zielen stehen“, sagt Ambroise Fayolle, Vizepräsident der Europäischen Investitionsbank EIB. Bereits 2019 habe sich die EIB verpflichtet, 50 Prozent ihrer Finanzierungen bis 2025 auf ökologische Nachhaltigkeit auszurichten. „Das bedeutet eine Verdopplung unserer bisherigen Quote“, sagt er. Die Bank investiere daher nur noch in entsprechende Projekte, wenn Unternehmen einen Dekarbonisierungs-Plan vorlegen könnten. „Dieser Plan muss transparent und öffentlich sein“, sagt er.

Um die Klimaziele zu erreichen, brauche es Innovationen. Genau diese wolle die Bank finanzieren. Fayolle macht aber auch deutlich, dass der öffentliche Sektor zur Finanzierung nicht ausreichen werde, wenn der private nicht mitziehe. Als aktuelles Beispiel für die Aktivitäten der EIB nennt er unter anderem die Finanzierung der Niederbarnimer Eisenbahn im Norden Berlins, die ihre Züge auf komplett CO2-freien Betrieb umstellen möchte.

Joachim von Schorlemer, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der ING Deutschland stimmt dieser Zusammenarbeit zu. “Der öffentliche und der private Sektor müssen zusammenarbeiten“, sagt von Schorlemer im Hinblick auf die Finanzierung der Transformation der Wirtschaft. Die ING selbst habe schon früh gestartet, sich für Nachhaltigkeit einzusetzen. So habe die Bank 2017 unter anderem den ersten mit Nachhaltigkeitszielen verbundenen Kredit (ESG-linked Loan) für den Philips-Konzern aufgesetzt. Bis zu einer vollständigen Transformation der Wirtschaft sei es aber noch ein weiter Weg.

Den Finanzsektor sieht Matthias Kopp zwar auf dem richtigen Weg, aber bei weitem noch nicht am Ziel. Er ist Finanzdirektor von WWF.  „Das Glas ist eher halb voll“, betont er. Kopp sieht aber auch ESG-Bemühungen der Vergangenheit kritisch. „So wie der Finanzsektor in der Vergangenheit versucht hat, Nachhaltigkeit zu labeln, fehlte es an einer konkreten Leistungsbewertung“, sagt er. Man habe sich oft auf Ambitionen von Unternehmen verlassen. So müssten Kunden sich einen Fonds schon genau anschauen, um herauszufinden, was daran nun nachhaltig ist.

„Wir brauchen daher dringend eine Standardisierung“, sagt Kopp. Der aber zugleich davor warnte, Nachhaltigkeit nur als binäres System zwischen grün und braun zu betrachten. „Wir haben einen Transformationspfad vor uns“, sagt er, und das gelte es zu berücksichtigen. „Es gibt inzwischen zahlreiche Net-Zero-Commitments, das Thema wird also immer mehr verstanden, jetzt geht es um die Operationalisierung“, sagt er. (Jan Schulte)
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Tanja Kunesch
Christian Klein, Vorstandssprecher von SAP. 
Christian Klein, Vorstandssprecher von SAP.    Bild: Phil Dera

Pandemie hat Digitalisierungsdefizite aufgezeigt

Bei der Umsetzung der Corona Warn-App habe sich gezeigt, dass Deutschlands Verwaltung auf die schnelle Umsetzung digitaler Prozesse schlecht vorbereitet ist, sagt SAP-Vorstandssprecher Christian Klein. So fehle es an klaren Zuständigkeiten. „Wir hatten in den Ämtern oft viele verschiedene Ansprechpartner“, sagt Klein, dessen Unternehmen die Warn-App des Bundes zusammen mit der Deutschen Telekom entwickelt hat.

Der SAP-Chef bedauert deshalb auch, dass nach der Bundestagswahl kein Digitalministerium geschaffen wurde. „Es braucht eine klare Verantwortlichkeit“, sagt er. Klein wirbt zudem für mehr Flexibilität beim Datenschutz: „Natürlich ist Datenschutz ein wichtiges Gut. Aber in einer Pandemie-Situation ist es vielleicht richtig, mehr Daten zu teilen, um Menschenleben zu retten“, sagt er.

Auch der Wirtschaft wurden Digitalisierungsdefizite aufgezeigt, ist Klein überzeugt. Die Pandemie habe insofern den positiven Effekt gehabt, dass die digitale Transformation vielfach beschleunigt wurde. So habe der Handel erkannt, dass E-Commerce-Angebote nötig seien. In der Folge brauche es allerdings auch eine komplette Umstellung der Geschäftsprozesse, sagt Klein.

SAP selbst musste in der Coronakrise ebenfalls dazulernen. Der Dax-Konzern hat die Umstellung seiner Unternehmenssoftware auf eine Cloud-basierte Lösung beschleunigt, weil dies von Kunden inzwischen verlangt wird. Es gehe um agilere Systemlandschaften, sagt Klein. Allerdings zeigen Beschwerden von Nutzer:innen, dass SAP hierbei weiterhin mit Problemen kämpft.

Angesichts der weltweiten Lieferschwierigkeiten werde auch die Überwachung von Lieferketten zunehmend wichtig, sagt Klein. Kund:innen wollten wissen, wie sie ihre Lieferketten mit SAP-Software widerstandsfähiger machen können. Besonders viel Aufmerksamkeit habe diese Frage bei der Beschaffung von Vorprodukten für Impfstoffe bekommen.

Im Lieferketten-Management sieht Klein ein großes Wachstumsfeld für SAP. Dafür sorge das Mega-Thema Nachhaltigkeit. „Immer mehr Unternehmen wollen den CO2-Fußabdruck ihrer Produkte tracken“, sagt Klein. Da mit SAP-Lösungen bereits sehr viele Geschäftsdaten erfasst würden, „können wir unseren Kunden auch erlauben, den Energieverbrauch zu messen“. 

Klein ist sich sicher, dass das Thema Nachhaltigkeit zu einer dominierenden Frage im Geschäftsleben werden wird. So würden etwa Einkäufer zukünftig nicht mehr nur auf Qualität und Preis achten, sondern auch wissen wollen, ob die eingekauften Rohstoffe recycelbar sind. (Caspar Schwietering)
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Tanja Kunesch
Frans Timmermans der Europäischen Kommission
Frans Timmermans der Europäischen Kommission   Bild: Phil Dera

Die Klimaziele können erreicht werden

Schon „innerhalb eines Jahres“ könnte das Fit-for-55-Paket der EU abgeschlossen sein, glaubt der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans. „Ich denke, es wird uns gelingen, bis zum Sommer eine einheitliche Position des Parlaments und der Minister zu bekommen, damit die Verhandlungen im September anfangen können.“ Bis 2030 seien es nur noch acht Jahre, „wir haben keine Zeit zu verlieren“. Dennoch sei er zuversichtlich, dass die Klimaziele erreicht werden können

„Noch vor zwei Jahren haben die Autobauer gesagt, bis 2035 nur noch Elektroautos zu produzieren, sei völlig utopisch. Heute sieht das ganz anders aus, einige werden sogar schneller sein.“ Wichtig sei vor allem, die Menschen bei der Transformation mitzunehmen: „Die soziale Frage wird bestimmen, ob wir die Nachhaltigkeitsfrage lösen können.“ Und: „Es macht auch Spaß, etwas Gutes zu tun.“ (Florence Schulz)
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Daniel Krause
Author Daniel Krause
Steffi Lemke, Bundesministerin fürUmwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, sowie Carole Dieschbourg, Luxemburgische Ministerin für Umwelt,Klima und nachhaltige Entwicklung (von links)
Steffi Lemke, Bundesministerin fürUmwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, sowie Carole Dieschbourg, Luxemburgische Ministerin für Umwelt,Klima und nachhaltige Entwicklung (von links)   Bild: Phil Dera

Die EU-Taxonomie ist ein „Standard zweiter Klasse“

Die Entwicklung grünen Wasserstoffs werde eines der wichtigsten Ziele der EU-Kommission in der nächsten Zeit sein, sagte EU-Energiekommissarin Kadri Simson. Dazu gehöre auch neue Infrastruktur, der Handeln mit Nicht-EU Ländern sowie Standards für Nachhaltigkeit und Emissionen.

Auch die stellvertretende Ministerpräsidentin und Klimaministerin Spaniens, Teresa Ribera, sprach sich für ein Ende der Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Erdgas aus. „Dafür brauchen wir ein neues Marktdesign, das auch die Digitalisierung, Speicher und neue Technologien beinhaltet.“ Allerdings müssten neue Abhängigkeiten, zum Beispiel von Innovationstechnologien oder Rohstoffen, verhindert werden. Mit Bezug auf die EU-Taxonomie sagte Ribera: „Was die Kommission beschlossen hat, ist ein Standard zweiter Klasse. Ich denke, das wird dazu führen, dass Mitgliedsstaaten ihre eigenen Taxonomien entwickeln und anwenden werden.“

Die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg betonte, dass ihr Land gegen die Taxonomie klagen, dies aber noch einige Zeit dauern werde. „Wir sehen klare formaljuristische Fehler, denn ein delegierter Rechtsakt darf keine substanziellen Änderungen einführen, wie es die Taxonomie tut.“ Laut Steffi Lemke, der deutschen Ministerin für Umwelt- und Verbraucherschutz, sei „es überhaupt nicht nötig gewesen, Gas und Atomkraft in die Taxonomie mit aufzunehmen“, um diese zu fördern. Beides hätte in einem separaten Dekarbonosierungsakt geregelt werden können. „Der lag auf dem Tisch, ich verstehe nicht, warum man das nicht getan hat.“ Um die Bürger:innen von den hohen Energiepreisen zu entlasten, halte sie eine Mehrwertsteuersenkung nicht für sinnvoll. „Konzentrieren wir uns besser gezielt auf die Haushalte mit geringem Einkommen.“ Als Verbraucherministerin werde sie besonders darauf achten, „dass die EEG-Umlagensenkung auch bei den Menschen ankommt“. (Florence Schulz)
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