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Politik: Mann fürs Kommißbrot

Als er sich im Bewußtsein der Verteidigungspolitiker seiner Fraktion und des Deutschen Bundestags so allmählich in den Vordergrund zu schieben begann, waren andere schon da.Und schon wurden die Unterschiede erkennbar.

Als er sich im Bewußtsein der Verteidigungspolitiker seiner Fraktion und des Deutschen Bundestags so allmählich in den Vordergrund zu schieben begann, waren andere schon da.Und schon wurden die Unterschiede erkennbar.Da gab es in der SPD-Militärpolitik zu Beginn der 90er Jahre jene strategischen Überflieger - namentlich benannt mit Karsten Voigt oder Norbert Gansel -, die nach Ansicht gar mancher Beobachter "schon beim Frühstück danach trachteten, den Zipfel der Weltgeschichte zu erhaschen".Und daneben jene Parteisoldaten, die sich um die Winterkleidung der Soldaten, um den Beförderungsstau bei den Hauptfeldwebeln oder die Qualität des Kantinenessens kümmerten.

Zur zweiten Sorte gehörte Walter Kolbow.Und irgendwie gehört er noch immer zu dieser Kategorie sozialdemokratischer Verteidigungsexperten.Obwohl - oder weil er inzwischen Parlamentarischer Staatssekretär unter Rudolf Scharping auf der Hardthöhe geworden ist.

Wer ihn am Donnerstag suchte, fand ihn nicht in Bonn, sondern konnte ihn in "humanitärer Mission" im Raum Skopje ausmachen und dann im Jeep auf der Fahrt zur mazedonischen Regierung.Walter Kolbow ist beauftragt, alle Fragen humanitärer Hilfe um das Kosovo herum zu koordinieren.Eine Aufgabe, das ist schon immer sein Naturell gewesen, in die er sich so richtig hineinkniet, psychisch wie physisch.

Der am 27.April 1944 - also vor fast exakt 55 Jahren - im österreichischen Spittal geborene Verwaltungsjurist, der im Alter von 23 Jahren zur Sozialdemokratie stieß, ist auf dem rechten Flügel der SPD zu suchen.Dort nämlich, wo die Partei noch fest in der Gewerkschaft, in der Arbeiterwohlfahrt oder bei den Naturfreunden verankert ist, wo es um "die kleinen Sorgen der Menschen an den Resopaltischen" geht.

Als für Walter Kolbow im vergangenen Spätherbst endgültig feststand, daß er Staatssekretär auf der Hardthöhe werden würde, sah man auf seinem Gesicht - doch nur für einen kurzen Moment - den Hauch von Genugtuung, der rasch von einiger Freude abgelöst wurde.Hatte es doch zuletzt noch Spekulationen gegeben, Verteidigungsminister wider Willen Rudolf Scharping wolle sich eventuell für Oberst a.D.Peter Zumkley entscheiden.Aber der neue Chef der Hardthöhe entschied sich für Kolbow, der keinem der parlamentarischen Klüngelzirkel angehört, auch nicht dem rechten "Seeheimer Kreis", dessen Intentionen er gleichwohl nahestehen mag.Der SPD-Politiker zeigt sich gern leidenschaftlich - und in sich unabhängig.

Und fair.Als in der vergangenen Legislaturperiode rechtsradikale Vorfälle in der Bundeswehr parlamentarisch zu untersuchen waren und sich mancherlei Vorwürfe an den damaligen Verteidigungsminister Volker Rühe richteten, warnte er in den eigenen Reihen vor voreiligen Rücktrittsforderungen an die Adresse des Ministers.Zunächst müsse erwiesen sein, daß Rühe von solchen Vorgängen gewußt und geschwiegen habe.Nein, sagte der Sozialdemokrat seinerzeit, er habe keine Veranlassung zu glauben, daß Rühe in dieser Hinsicht nicht die Wahrheit sage.So ist er, der Parlamentarische Staatssekretär, den sie in Bonn "den Mann fürs Kommißbrot" genannt haben.

KLAUS J.SCHWEHN

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