zum Hauptinhalt

Politik: Massenflucht auf Borneo: Zuwanderer fliehen vor der Gewalt

Nach tagelangen blutigen Unruhen zwischen Ureinwohnern und Zuwanderern im indonesischen Teil der Insel Borneo versuchen tausende Flüchtlinge, der Menschenjagd zu entkommen. In Sampit in der Krisenprovinz Kalimantan entbrannten verzweifelte Kämpfe um einen Platz auf einem indonesischen Marineschiff, das 1800 Zuwanderer aus der Region bringen sollte.

Nach tagelangen blutigen Unruhen zwischen Ureinwohnern und Zuwanderern im indonesischen Teil der Insel Borneo versuchen tausende Flüchtlinge, der Menschenjagd zu entkommen. In Sampit in der Krisenprovinz Kalimantan entbrannten verzweifelte Kämpfe um einen Platz auf einem indonesischen Marineschiff, das 1800 Zuwanderer aus der Region bringen sollte. Insgesamt 24 000 Flüchtlinge warteten darauf, in Sicherheit gebracht zu werden. In den vergangenen Tagen hatten die Ureinwohner von der Ethnie der Dayak mehr als 200 Menschen brutal getötet. Die Opfer sind Zuwanderer von der indonesischen Insel Madura; einige von ihnen wurden zerstückelt und geköpft. Auch am Samstag marodierten mit Giftpfeilen und Schwertern bewaffnete Dayak weiter durch die Straßen und setzten die Häuser der Zuwanderer in Brand.

Dramatische Szenen spielten sich ab, als die Flüchtlinge am Samstag versuchten, einen Platz auf einem der Lastwagen zu bekommen, die sie zu dem einzigen Marineschiff im Hafen bringen sollten. Rund 2000 Menschen gelang es schließlich, sich auf dem Schiff zusammenzuquetschen. Jeder Zentimeter des Decks war von den Flüchtlingen ausgefüllt, die zum Teil seit Tagen nichts mehr gegessen hatten und alles hinter sich ließen. Viele der Flüchtlinge hatten einige Tage lang Zuflucht in öffentlichen Gebäuden gefunden, die von Soldaten bewacht werden. Einige erhoben Vorwürfe gegen die Regierung, weil sie nicht mit Nahrungsmitteln versorgt würden. Vier Menschen, unter ihnen zwei Kinder, kamen ums Leben.

Zurück blieben am Samstag mehr als 22 000 verzweifelte, hungernde Menschen, die auf ihre Rettung warteten. Für Samstag und Sonntag wurde die Ankunft weiterer Schiffe erwartet. Die Flüchtlinge sollten auf die indonesische Hauptinsel Java gebracht werden. Auch in anderen Gebieten der Provinz Kalimantan flohen einem Bericht eines örtlichen Reporters zufolge mindestens 5000 Menschen aus Furcht vor den Dayak. Sie hätten von nahenden Ureinwohnern gehört und seien in Panik aufgebrochen. Am Samstag brannten noch immer viele Gebäude und Geschäfte in Sampit; die Dayak kontrollierten die Stadt. "Wenn ein Madurese vorbeikommt, töten wir ihn auf der Stelle", sagte der Dayak-Anführer Hutte Christopel an einer von seinen Leuten errichteten Straßensperre. "Die Polizei kann gar nichts gegen uns ausrichten."

Die Malaysier der Insel Borneo wurden aufgefordert, sich von der indonesischen Krisenprovinz fern zu halten. Zeitungen berichteten, die Gewalt habe auch auf Gebiete übergegriffen, die von Malaysiern frequentiert werden. In Kalimantan im indonesischen Teil von Borneo kommt es immer wieder zu ethnisch motivierter Gewalt. Die Ureinwohner verfolgen seit vergangenem Sonntag Zuwanderer von der Insel Madura und töten sie. Sie fürchten die wirtschaftliche Überlegenheit der Zuwanderer.

Bereits 1999 waren Zuwanderer aus Madura Ziel von Angriffen der Malayen und Dayak. Dabei wurden 3000 Menschen getötet und tausende vertrieben. Borneo ist zwischen Indonesien, Malaysia und Brunei geteilt. Ursache der Ausschreitungen ist das Umsiedlungsprogramm der indonesischen Regierung: Sie verteilte Bewohner der dichter besiedelten Hauptinseln auf weniger besiedelte Außeninseln. Während der vergangenen 20 Jahre wurden rund 650 000 Familien von Java, Madura, Bali und Lombok auf andere Inseln umgesiedelt.

Ungeachtet des Blutvergießens auf Borneo hat Präsident Abdurrahman Wahid seine Afrika- und Nahostreise fortgesetzt. Er forderte die Bevölkerung von Borneo zu Ruhe auf. Die Fortsetzung seiner Reise löste in Indonesien Kritik aus. Der Abgeordnete Subagio Anom sagte, es sei schockierend, wie wenig sich die Führung um das Blutvergießen kümmere. Der Generalsekretär der Menschenrechtskommission, Asmara Nababan, nannte Wahid unsensibel und kritisierte auch dessen Stellvertreterin Megawati Sukarnoputri und andere Regierungsmitglieder. "Die Vizepräsidentin oder der Innenminister sollten in die Situation eingreifen, aber sie betrachten Konflikte außerhalb von Java nicht als Priorität", sagte Nababan.

Zur Startseite