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Erziehung: Mehmet Akyazi, 19

aus Duisburg, Autor des Buchs „Getürkt – Mein krasses Leben als Doppelbürger“.

Als Kind war ich schüchtern, kam mir oft fremd vor. Zum Beispiel, wenn ich zu Besuch bei meinen deutschen Freunden war. Zu Hause schaute ich damals unheimlich viel Zeichentrickfilme. Meine Eltern und viele aus meinem Umfeld beschwerten sich darüber. Aber sie bemerkten nicht, dass das ein wichtiges Mittel für mich war, um die deutsche Sprache zu lernen. Denn bei mir zu Hause wurde nur Türkisch gesprochen. In meiner Kindheit habe ich viele Freunde beneidet, weil die meisten schon ein eigenes Zimmer besaßen. Bis zu meinem siebten Lebensalter hatte ich gar keines, und bis heute teile ich mir eines mit meiner Schwester.

Doch der Neid hat aufgehört, als ich älter wurde. Da habe ich begriffen, dass mein Leben von unserem sozialen Status abhängt und meine Eltern nichts dafür können. Heute sind sie meine Vorbilder. Ihre Erziehung und Geschichte hat meine Denkweise am meisten geprägt. Sie gaben ihr Leben für die Zukunft ihrer Kinder. Nach der Hochzeit betrat meine Mutter zum ersten Mal ein fremdes Land, das für immer ihre neue Heimat werden sollte. Meine Eltern hatten nichts und kannten niemanden in Deutschland. Ich finde das einfach nur unglaublich, aus welcher Lage sie kamen und was sie geschafft haben. Es ist nicht leicht, als Sohn türkischer Eltern in das Bild der deutschen Gesellschaft zu passen. Meine Eltern waren zum Glück sehr offen und schickten mich aus Taktik auf eine katholische Grundschule, damit ich nicht in die gleiche Schublade „kann nichts“ wie die anderen Migrantenkinder gesteckt werde. Mein Glück. Denn viele meiner Freunde und Verwandten quälen sich jetzt mit der Suche nach einer Arbeit oder einem Ausbildungsplatz. Ich war der einzige Deutschtürke in meiner Klasse. Diese Zeit hat mich sehr geprägt.

Am Anfang habe ich versucht, mich mehr der deutschen Mehrheitsgesellschaft anzupassen. Später dann mehr den Türken. Aber so fühlte sich beides nicht gut an. Heute lebe ich mein eigenes Bild. Das Bild eines Doppelbürgers, wie ich es nenne.

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