
© dpa/Hendrik Schmidt
Mobbing in der Partei „Die Linke“: Die Jagd ist eröffnet
Israelfeindliche Aktivisten blasen in der Partei zum Rachefeldzug. Andersdenkende sollen herausgedrängt werden. Die Partei fürchtet, die Versuche könnten Erfolg haben.
Stand:
Am Wochenende ist eine neue Eskalationsstufe erreicht worden. Beim Bundeskongress des parteinahen Jugendverbandes „Linksjugend [’solid]“ wurden Mitglieder, die sich in der Vergangenheit nicht radikal genug gegen den Staat Israel positioniert hatten, offen angefeindet und auch bedroht. Mehrere Delegierte reisten vorzeitig ab, nachdem Genossen angekündigt hatten, sie nachts in ihren Hotelzimmern aufzusuchen. Ein Kongressteilnehmer spricht gegenüber dem Tagesspiegel von „Psychoterror aus den eigenen Reihen“.
Seit drei Wochen herrscht Waffenruhe in Gaza. Seitdem haben israelfeindliche Strömungen innerhalb der Partei einen regelrechten Rachefeldzug begonnen. Um zur Zielscheibe zu werden, reicht aus, sich öffentlich für die Zwei-Staaten-Lösung eingesetzt zu haben.
Aktivisten fordern Säuberungen
In internen Chatgruppen wird zu regelrechten Säuberungsaktionen aufgerufen. Wer sich in den vergangenen zwei Jahren nicht radikal gegen Israel gestellt habe, solle demnach die Partei verlassen oder alternativ zum Verlassen gedrängt werden. Die Gunst der Stunde müsse genutzt werden, gegen derartige „Verräter“ beziehungsweise „Zionisten“ vorzugehen, heißt es.
Unter den Befürwortern von Säuberungen befinden sich Mitglieder, die die Hamas als Freiheitsbewegung begreifen und das Ende des Staates Israels anstreben. Am 22. November wollen sie ihren nächsten Sieg feiern. Dann wird die Bundesschiedskommission darüber entscheiden, ob der Parteiausschluss des israelfeindlichen Aktivisten Ramsis Kilani rechtens war. Aus Parteikreisen heißt es, mittlerweile sei vollkommen offen, ob die Kommission dem Druck des radikalen Flügels nachgeben und Kilani rehabilitieren werde.
Ramsis Kilani hatte den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 glorifiziert und behauptet, die Hamas besitze „das Recht auf militante Selbstverteidigung mit allen Mitteln“. Zudem stellte er infrage, ob israelische Bürger überhaupt als Zivilisten zu behandeln seien, schließlich habe jeder Israeli irgendwann in seinem Leben den Wehrdienst geleistet.
Sollte Kilani tatsächlich wieder in der Partei wirken können, wäre das Maß des für mich Aushaltbaren langsam erreicht.
Ein Bundestagsabgeordneter der Linken
Trotz seines Ausschlusses durfte er Ende September bei der von der Partei initiierten Großdemonstration „Zusammen für Gaza“ in Berlin sprechen. Demo-Anmelderin Jorinde Schulz und Kilani kennen sich lange.
Die trotzkistische Splittergruppe „Sozialismus von unten“, der Kilani angehört, verbreitete anschließend ein euphorisches Posting, laut dem es gelungen sei, die Demonstration der Partei zu „unterlaufen“ und Druck auszuüben.
In der Botschaft heißt es: „Die Demo ist der Linken völlig aus den Händen geglitten, weil sie die Bewegung offensichtlich nicht kannten.“ Daher hätten Personen, die in der Vergangenheit von der Partei als Antisemiten bezeichnet worden seien, auf der Demo „als führende Stimmen sprechen“ können.

© dpa/Martin Schutt
In Teilen der Partei macht sich nun Angst vor einer weiteren Austrittswelle breit. Erst vergangenes Jahr waren Berliner Mitglieder um den früheren Bürgermeister Klaus Lederer aus der Partei ausgetreten, in Sachsen-Anhalt gab die Landtagsabgeordnete Henriette Quade ihr Parteibuch zurück.
Andere entschieden sich zu bleiben. Ein Mitglied der Bundestagsfraktion sagt: „Sollte Kilani tatsächlich wieder in der Partei wirken können, wäre das Maß des für mich Aushaltbaren langsam erreicht.“
Beim Bundeskongress der Jugendorganisation kam es am Wochenende nicht nur zu Drohungen, sondern auch zu einem Beschluss, der den jüdischen Staat Israel für seinen „kolonialen und rassistischen Charakter“ verurteilte.
Aus der Mutterpartei gibt es scharfe Kritik: Benjamin-Immanuel Hoff, ehemaliger Chef der Staatskanzlei in Thüringen sowie Beauftragter der Landesregierung für jüdisches Leben, bezeichnet das Votum als „Beschluss im Fahrwasser israelhassenden Anti-Imperialismus“. Einziges Ziel des Beschlusses sei die Dämonisierung und Verurteilung Israels.
In den Sprecherinnenrat des Jugendverbands wurde zudem Martha Chiara Wüthrich gewählt. Gegen sie läuft derzeit ein Parteiausschlussverfahren. Im Internet hatte Wüthrich behauptet, in Gaza finde „der Holocaust“ statt.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false