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Die UN-Vermittlungen für eine Lösung des Konflikts in Libyen wurden stets von Protesten begleitet. 

© REUTERS

Nach UN-Vermittlungen: Neue Einheitsregierung für Libyen vorgestellt

Die Konfliktparteien in Libyen haben sich den UN zufolge auf eine Regierung geeinigt. Ob die Vorschläge wirklich angenommen werden, ist unklar.

Die Freude über die guten Nachrichten aus der marokkanischen Stadt Skhirat, wo seit Monaten Friedensverhandlungen stattfinden, ist am Freitag in der europäischen Politik besonders groß. „Einmal mehr hat sich gezeigt“, teilte Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit, „dass sich beharrliche Diplomatie lohnt“. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sprach von einem „wichtigen Schritt vorwärts“, nachdem der UN-Vermittler Bernardino León zuvor verkündet hatte, dass der Weg für eine Einheitsregierung in dem nordafrikanischen Bürgerkriegsland nun frei ist.

Insgesamt 150 Vertreter aus allen Regionen des Landes waren nach Angaben der Vereinten Nationen an dem Einigungsprozess beteiligt. Das Land, das nach dem westlichen Militäreinsatz 2011 zum Sturz des Machthabers Muammar al Gaddafi ins Chaos gestürzt und in zwei Teile zerfallen war, wird von zwei rivalisierenden Regierungen regiert: Einer islamistischen Regierung in Tripolis steht die international anerkannte Regierung im ostlibyschen Tobruk gegenüber. Nun soll, wenn beide Parlamente den von León vermittelten Deal unterstützen, der 55-jährige Fajis Sarradsch neuer Premierminister werden. Der gelernte Architekt ist derzeit Abgeordneter des Parlaments in Tobruk.

Libyen ist für die EU wegen der Flüchtlinge wichtig

„Am wichtigsten ist diese Einigung für das Land selbst“, heißt es in Mogherinis Auswärtigem Dienst, wo jedoch kein Hehl daraus gemacht wird, wie wichtig diese Einigung für die Europäische Union ist: „Gerade in der Flüchtlingskrise brauchen wir einen handlungsfähigen Ansprechpartner in Libyen, mit dem wir kooperieren können.“ Auch deshalb habe man „sehr viel in die Friedensgespräche investiert“.

Tatsächlich stand nicht nur Mogherini in fast täglichem Kontakt mit UN-Vermittler León. Auch Steinmeier gelang im Juni, wie ein EU-Diplomat schwärmt, „ein Coup“, als der deutsche Außenminister die libyschen Konfliktparteien nach Berlin eingeladen und erstmals überhaupt versammelt hatte – und zwar zu einer Fahrt auf der Spree: „Die waren auf diesem Boot festgenagelt und konnten sich nicht aus dem Weg gehen.“

Angst vor Terroristen

Das große Interesse der deutschen und europäischen Politik, das schon am Freitag mit Hilfsangeboten in Millionenhöhe für den Aufbau von Verwaltung, Polizei, Justiz und Grenzschutz einherging, hat mehrere Gründe: Zum einen die terroristische Bedrohung, da sich die Gotteskrieger des „Islamischen Staats“ in dem zerfallenden Land eingenistet haben – das schlägt Menschen in die Flucht und erhöht zugleich die Gefahr, dass sich unter ihnen solche befinden, die den Dschihad nach Europa tragen wollen.

Noch bedeutsamer freilich sind funktionierende staatliche Strukturen in Libyen, gerade wenn es um die Rückführungsabkommen geht, die die EU nun mit den wichtigsten Transitstaaten schließt – erst am Donnerstag haben die Innenminister der Gemeinschaft klargemacht, dass die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber unter anderem über solche Abkommen intensiviert werden soll. Und nicht zuletzt besteht bei den EU-Staaten die Hoffnung, dass es nach der Einigung in Libyen mit dem Einsatz gegen Schlepper vorangeht.

Bisher ist der Militäreinsatz auf dem Mittelmeer in dieser Hinsicht auf internationale Gewässer beschränkt. Die dritte Phase der geplanten Operation, bei der direkt vor der libyschen Küste Schleuser aufgegriffen werden sollen, bedarf entweder der Zustimmung der libyschen Regierung oder eines UN-Mandats, das Russland unter Verweis auf das fehlende Ja aus Tripolis bisher blockiert hat.

Geteilt wird die Begeisterung für die Einigung freilich nicht von allen. „Was Libyen nicht braucht, ist ein europäisches Militär, das an der Küste Jagd auf Schlepper macht“, sagt etwa die Grünen-Europaabgeordnete Barbara Lochbihler angesichts der immer noch fragilen Lage des Landes: „Die EU darf kein Öl ins Feuer kippen.“

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