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Politik: „Nicht am Ton aufhalten“

Grünen-Chef Bütikofer über Kapitalismus und die SPD

Sind Sie auch ein Kapitalismuskritiker?

Grüne Politik findet sich mit den bestehenden ökonomischen wie gesellschaftlichen Verhältnissen nicht ab, denn Produktion und Konsumption sind heute offenkundig nicht nachhaltig. Uns Grüne gibt es ja, weil wir die Umwelt und Zukunftsvergessenheit unserer Produktionsweise thematisieren. Aber wir propagieren keine Gesellschaft jenseits von Wettbewerb und Privateigentum. Es geht um eine Wirtschaft, die soziale und ökologische Verantwortung nicht rücksichtslos dem puren Markt opfert.

Wo setzen Sie an?

Wir haben in Deutschland wie in Europa derzeit eine Grundsatzauseinandersetzung darüber, wie das Erbe sozial und ökologisch verantwortlicher Marktwirtschaft weiterentwickelt werden kann. Vieles davon ist eine Gestaltungsaufgabe auf europäischer Ebene. Wer nicht will, dass einzelne Nationalökonomien hilflos torkeln unter den neuen Konkurrenzbedingungen der Globalisierung, der muss eine europäische Rahmensetzung verfechten.

Hat Franz Müntefering die falschen Worte gewählt?

Ich habe mich von Anfang an nicht am Ton von Franz Müntefering aufgehalten. Die Diskussion ist wichtig. Auch, damit sich nicht die Schwarzen und die Gelben durchsetzen, die dem Ziel des sozialen Interessenausgleichs den Laufpass gegeben haben. Was die Opposition auftischt, steuerpolitisch, in puncto Sozialstaat, hat mit dem Erfolgsmodell sozialer Marktwirtschaft immer weniger zu tun. Die wollen eine andere Republik. Wenn Sie über Tonart reden wollen, fällt mir Hans-Olaf Henkel oder der Historiker Wolffsohn ein, die brutal über die Stränge schlagen. Ihr Ziel: eine notwendige Auseinandersetzung um eine Richtungsalternative tabuisieren.

Stehen denn SPD und Grüne in dieser Diskussion Seit’ an Seit’?

In der Grundfrage: ja. Aber es gibt auch Unterschiede. Erstens betonen wir mehr als die SPD die europäische Handlungsebene. Zweitens benennen wir deutlicher die neue soziale Frage: Dass sich die neue Armut nicht zu einer Unterschicht verfestigt. Und dann gibt es die klassische Differenz: Uns kommt es auch auf die ökologische Marktwirtschaft an. Aber die Debatte ist notwendig, und wir wollen sie im Dialog auch mit der Wirtschaft führen.

Müntefering will das Entsendegesetz öffnen, um Lohndumping zu stoppen.

Wunderbar. Das ist ein erster Schritt in Richtung auf branchenspezifische Mindestlohnsicherung, wie wir sie schon seit eineinhalb Jahren verfechten. Wir müssen verhindern, dass man von anständiger Arbeit nicht mehr anständig leben kann.

Gibt es Widersprüche zwischen Münteferings Kritik und dem Regierungshandeln von Rot-Grün?

Ich sehe es so: Ohne sich der eigenen Basis zu versichern, wie die SPD es jetzt tut und wir es mit unserer Grundsatzprogrammdebatte Anfang 2002 getan haben, ist der Reformprozess nicht durchzustehen, denn er muss weitergehen.

Das Gespräch führte Matthias Meisner.

Reinhard Bütikofer (52) ist seit Ende 2002 Vorsitzender der Grünen. Am

Grundsatzprogramm der Partei, dem

„Berliner Programm“ von 2002, hat er maßgeblich mitgewirkt.

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