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Neuer alter Staatspräsident: Viktor Janukowitsch.

© AFP

Ukraine: OSZE: Wahl ist "demokratischer Rückschritt"

Die Auszählung der Stimmen nach der Wahl in der Ukraine ist beendet, die Partei von Staatspräsident Janukowitsch kann weiterregieren. Währenddessen mehren sich die Hinweise auf Wahlfälschungen. Die OSZE kritisiert die Wahl mit deutlichen Worten.

Gesiegt haben wollte zuerst keiner. Trotz überraschend guter Exitpoll-Ergebnisse herrscht im Wahlstab von Julia Timoschenkos Wahlblock Batkiwtschina („Vaterland“) vor der Kiewer Sophien-Kathedrale am Sonntagabend vorsichtige Ernüchterung.

Wo einst die ukrainische Oppositionsführerin Brandreden gehalten und Gebete für einen Wahlsieg der demokratischen Kräfte angestimmt hatte, haben ihre Mitkämpfer eine geheizte weiße Zelthalle aufgestellt. Dort wird vor allem aufgeregt diskutiert. „Die Exitpolls berücksichtigen die Wahlbeteiligung nicht“, sagte Oleksandr Turtschinow, der erste Stellvertreter der aus politischen Gründen inhaftierten Oppositionsführerin, dem Tagesspiegel.„Doch diese ist in der regierungsfreundlichen Ostukraine immer sehr groß“, warnt der untersetzte Oppositionelle.

Vom kämpferischen Elan der Demokraten am Vortag der „Orangenen Revolution“ vor acht Jahren ist nichts mehr zu spüren.

Doch auch gleich gegenüber, beim Wahlfest der regierenden Partei der Regionen (PRU) von Staatspräsident Viktor Janukowitsch in einem Fünfsternehotel herrscht zumindest den Fernsehbildern nach keine Siegerstimmung. Premierminister Mykola Asarow lässt keine Fragen der Pressevertreter zu und verdrückt sich schnell.

Auch Klitschko konnte im Wahlstab seine Enttäuschung nur schlecht verbergen.

Am Montagmittag allerdings hat sich das Blatt für Janukowitsch gewendet. Die Zentrale Wahlkommission vermeldet einen klaren Sieg der Regierungspartei. Die Exitpolls vom Sonntagabend zeigten Regierung und Opposition dagegen noch gefährlich nah. Nach Auszählung der meisten Stimmen siegt die Partei der Regionen mit 33 Prozent (2007: 34). Timoschenkos Batkiwtschina kommt demnach nur noch auf 23,3 Prozent (2007: 31). Bereits auf dem dritten Platz haben sich plötzlich mit einem sehr guten Resultat von 14,3 Prozent (2007: 5,4) die Kommunisten (KPU) platziert, die in der Vergangenheit immer mit Janukowitsch gemeinsame Sache gemacht haben. Erst auf dem vierten Platz folgt mit 13 Prozent die politisch schwer einschätzbare Partei Udar („Schlag“) des amtierenden Boxweltmeisters Witali Klitschko. Die Fünfprozenthürde überwinden konnte noch die rechtsnationalistische Partei Swoboda (Freiheit), allerdings mit einem deutlich schlechteren Resultat als bei den Exitpolls von nur noch 9 Prozent.

Haushoch an der Fünfprozenthürde gescheitert sind die angeblich von dem superreichen Geschäftsmann Rinat Achmetow finanzierte Pseudo-Oppositionspartei Ukraine Vorwärts (1,6 Prozent) sowie die Partei Unsere Ukraine von Ex-Präsident Viktor Juschtschenko (1 Prozent) (2007: 14 Prozent).

Rein rechnerisch kommen PRU und Kommunisten auf knapp 50 Prozent der Stimmen. Noch besser soll Janukowitschs Fraktion laut seiner Zentralen Wahlkommission bei den Direktmandaten abschneiden, über die die Hälfte der 450 Parlamentssitze vergeben wurden. In vier ostukrainischen Oblasts (Verwaltungseinheiten) holte die PRU so sämtliche Sitze, in einem halben Dutzend weiteren die deutliche Mehrheit. Auf dem Papier „unabhängige“ Kandidaten, die de facto jedoch schnell – von Geld geködert oder eingeschüchtert – zur Staatsmacht überlaufen dürften, kamen auf den zweiten Platz.

Klitschkos Kandidaten schnitten dagegen schlecht ab. Auch Batkiwtschina und Swoboda konnten nur wenige Wahlkreise direkt gewinnen. Die Wahlbeteiligung lag bei 58 Prozent.

In ukrainischen Internetforen kursieren derweil Hunderte von Wahlfälschungshinweisen. „Das waren die schmutzigsten Wahlen seit 2004, als es zu massenhaften Fälschungen kam“, urteilt die angesehene Beobachtergruppe „Komitee der ukrainischen Wähler“. In manchen Wahlkreisen seien Stimmen gekauft, in anderen seien Wähler in Bussen von einem Wahllokal zum anderen gefahren wurden, um mehrmals abzustimmen – das sogenannte „Karussell“.

Auch die OSZE kritisierte die Wahlen am Montag scharf. Im Vergleich zu den noch von dem ewig zerstrittenen orangenen Tandem Timoschenko-Juschtschenko organisierten Präsidentschaftswahlen 2010 sowie den Parlamentswahlen 2007 sei ein demokratischer „Rückschritt“ zu konstatieren, erklärte die OSZE-Beobachtermission. Sie bezeichnete den Wahlverlauf als „unfair“.

Vor allem wurde der Einsatz von Staatsgeldern für Wahlkampfzwecke, die untransparente Parteienfinanzierung und der ungleiche TV-Zugang kritisiert. Selbst nach einem Bericht der regierungsfreundlichen Zeitung „Segodnia“ hatte die PRU in den letzten fünf Tagen vor dem Wahlgang 25 Mal mehr Sendezeit als Klitschkos Udar und fast doppelt so viel wie Batkiwtschina. Die OSZE kritisierte am Montag indes auch die Inhaftierung von Oppositionsführerin Timoschenko.

Diese trat unterdessen „aus Protest gegen Wahlfälschungen“ wieder in den Hungerstreik. Timoschenko nehme seit Montag nur noch Wasser zu sich und habe die Strafvollzugsverwaltung über ihren Hungerstreik informiert, sagte ihr Anwalt Sergij Wlasenko vor dem Krankenhaus in Charkiw, in dem sie wegen eines Rückenleidens behandelt wird.

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