Politik: Pakt ohne Handschlag
Nordirlands einstige Kontrahenten Paisley und Adams einigen sich auf den Termin der Regierungsbildung
Stand:
Die altgedienten Anführer der beiden größten Parteien Nordirlands haben am Montag zum ersten Mal förmlich mit einander gesprochen und gleich vereinbart, am 8. Mai eine Koalitionsregierung zu bilden. Pfarrer Ian Paisley, Vorsitzender der größten Unionistenpartei, und Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams, ein ehemaliger IRA-Kommandant, setzten sich im Restaurant des Belfaster Parlamentspalastes zusammen, während die Uhr für die Auflösung des Parlaments tickte. Der britische Nordirlandminister, Peter Hain, hatte nämlich um Mitternacht die Regierungskompetenzen über Nordirland von London nach Belfast übertragen, obwohl er schon wusste, dass sein Ultimatum, am Montag eine Regierung zu bilden, ungenutzt verstreichen würde.
Die nordirischen Politiker erhielten damit 24 Stunden, um sich auf einen neuen Termin zu einigen – andernfalls würde Hain darin fortfahren, Nordirland als Provinzgouverneur zu verwalten. Versprochene Finanzspritzen würden ausbleiben, und die nordirischen Haushalte müssten neue Wassergebühren bezahlen. Dieses dramatische Szenario zwang den 80-jährigen Pfarrer, der Sinn Fein und die IRA sein Leben lang als Ausgeburten der Hölle verdammt hatte, als Bittsteller zu Gerry Adams zu gehen. Denn Paisleys Parteivorstand hatte am Samstag erstmals versprochen, die vorgeschriebene Zwangskoalition zu führen – aber erst ab Mai. Der Aufschub erlaubte Paisley, seine Gefolgsleute bei der Stange zu halten, nicht zuletzt, weil er dem britischen Ultimatum trotzte.
Der ursprüngliche Termin 26. März war im vergangenen Oktober von der britischen und der irischen Regierung festgelegt worden. Die nordirischen Parlamentswahlen vom 7. März ergaben Sitzgewinne für Paisley und Adams und wurden einhellig als Mandat zur Regierungsbildung interpretiert. Aber es wäre eine Zwangsehe gewesen. Jetzt, da sich die beiden verfeindeten Lager im gegenseitigen Interesse auf einen eigenen Termin geeinigt haben, erscheinen die Erfolgsaussichten wesentlich rosiger.
Martin McGuinness, ein ehemaliger Stabschef der IRA, der künftige Stellvertreter Paisleys als Chefminister, vertraute dem irischen Rundfunk an, sein Herz „habe einen Sprung vor Freude“ gemacht, als der Pakt geschlossen wurde. Paisley und Adams versprachen, die Zeit bis zur Regierungsbildung zu nutzen, um ein solides Regierungsprogramm auszuarbeiten. Beide gelobten, im Interesse aller Nordiren zu regieren.
Der britische Premierminister Tony Blair begrüßte die Einigung: „Darauf haben wir die letzten zehn Jahre hingearbeitet.“ Außerordentliche Gesetze werden dem britischen Unterhaus vorgelegt werden, um die sechswöchige Verzögerung zu ermöglichen. Paisley und Adams wollen gemeinsam Druck auf den britischen Schatzkanzler Gordon Brown ausüben, um sein zusätzliches Investitionsprogramm etwas großzügiger zu gestalten.
Der Weg zum Pakt war lang: Seit dem ersten Waffenstillstand der IRA sind fast 13 Jahre vergangen. Die Parteien der politischen Mitte wurden unterdessen aus ihren Führungspositionen verdrängt, aber die radikaleren Strömungen, die sich jetzt erstmals zusammengerauft haben, müssen nicht befürchten, dass ihnen dasselbe widerfährt. Paisley und Adams haben sichergestellt, dass ihre Parteien sich nicht spalteten; ihnen wird deshalb zugetraut, den Kompromiss auch durchzusetzen.
Martin Alioth[Dublin]
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: