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Venezuela: Parlament gibt Chávez Sondervollmachten

Die venezolanische Nationalversammlung hat in erster Lesung ein Gesetz gebilligt, durch das Präsident Chávez zum einzigen Gesetzgeber in vielen Bereichen wird. Die Opposition sieht das Land kurz vor dem "völligen Totalitarismus".

Caracas - Mit diesen Dekreten will Chávez nach eigenen Worten in den kommenden 18 Monaten den Rahmen des neuen Wirtschafts-, Politik- und Gesellschaftssystem bestimmen. Die erwartete endgültige Entscheidung löste am Freitag Proteste in Politik und Wirtschaft aus.

Das Gesetz, das von Chávez erst am Samstag beantragt worden war, soll nach Angaben des Parlaments am nächsten Dienstag verabschiedet werden. Die Parlamentsdebatten über die Sondervollmachten für Chávez galten ohnehin als Formsache, da in der Nationalversammlung wegen des Oppositions-Boykotts der Parlamentswahlen Ende 2005 nur Chávez nahe stehende Politiker sitzen. Der Gesetzentwurf sei einstimmig gebilligt worden, erklärte Parlamentspräsidentin Cilia Flores.

Oppositionsführer: Chávez ist ein Tyrann

Nach dem Wortlaut des "Ermächtigenden Gesetzes" wird Chávez in der Praxis zum einzigen Gesetzgeber in nahezu allen Bereichen. Das gilt gemäß Gesetz für die "Umgründung der Staatsinstitutionen", die "Volksbeteiligung", die "wesentlichen Werte der Ausübung des öffentlichen Dienstes", den "Wirtschafts- und Sozialsektor", den "Finanz- und Steuersektor", die "juristische und bürgerliche Sicherheit", den "Bereich der Wissenschaft und Technologie", die "Sicherheit und Landesverteidigung", die "Neuordnung des Territoriums" sowie die "Technologie und Wissenschaft".

Oppositionsführer Manuel Rosales, der die Wahlen im Dezember gegen Chávez deutlich verloren hatte, meinte, der Präsident beweise, dass er ein "Tyrann" sei, weil er Sondervollmachten beantrage, obwohl er den Kongress völlig beherrsche. Der Industrieverband Conindustria rief am Freitag die Regierung und das Parlament auf, "demokratische Werte wie das freie Unternehmen, Privateigentum sowie Gedanken- und Meinungsfreiheit" zu respektieren. Ohne diese Werte könne man in Venezuela nicht von Demokratie sprechen. Die junge Oppositionsbewegung "Primero Justicia" (Gerechtigkeit Zuerst) meinte, noch vor den von der Regierung propagierten politischen Zielen kämen Sicherheit, Arbeit, Gesundheit und Wohnungsbau.

Chávez will unbegrenzte Wiederwählbarkeit für sein Amt

Bereits vor einigen Tagen hatte die sozialdemokratische Traditionspartei "Copei" zu einem Protestmarsch für den 23. Januar aufgerufen. Mit den Sondervollmachten wolle die Regierung die Macht, die sie ohnehin schon habe, noch weiter vergrößern, sagte Partei- Generalsekretär Luis Planas. Das Land sei nur "einen ganz kleinen Schritt vom völligen Totalitarismus" entfernt.

Nach den Vorstellungen von Chávez sollen unter anderem die Finanz- und Steuersysteme, das Bankwesen, die nationale Sicherheit und die Landesverteidigung neu definiert werden. In den nächsten Monaten will Chávez auch eine Reform der Verfassung von 1999 durchsetzen, die unter anderem auf die unbegrenzte Wiederwählbarkeit des Staatspräsidenten zielt. (tso/ddp)

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