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Thomas Heilman, Ex-Justizsenator in Berlin ist einer der Autoren des Buches.

© Kay Nietfeld/dpa

Politik und Staat müssen sich ändern: Leitfaden zur Verwürfelung des Balls

„Neustaat“ – das Buch für neue Politik mit 103 Vorschlägen. Überraschend ist dabei - es kommt aus der Union. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Es war 1996. Der damalige Bundespräsident Roman Herzog, Christdemokrat bayerischer Mundart, vormals Kultusminister des Bundeslandes der Schaffer, beschrieb die Notwendigkeit lebenslangen Lernens.

Weil die modernen Kommunikationstechnologien, die Popularisierung von Wissen und die damit verbundene Demokratisierung von Wissensproduktion und Wissensanwendung zu einer dynamisch-chaotischen Explosion des Wissens führten.

Sowohl in der Arbeits- und Berufswelt als auch bei der privaten Lebensgestaltung müssten wir uns daher heute und erst recht künftig einem fortdauernden Lernprozess unterziehen. Eigentlich gebe es dazu gar keine Alternative.

Ein längerer Vorspruch für ein kurzes Fazit: Stimmt bis heute. Und heute, fast ein viertel Jahrhundert später, machen sich 55 „Enkel“ von Herzog, Abgeordnete der Unionsfraktion in Verbindung mit außerparlamentarischen Experten, dankenswerterweise daran, die vielen Chancen aus dieser Erkenntnis abzuleiten, in einer Weise populär, dass wir alle – privat und mitsamt der Politik – etwas lernen können.

Zum Lernen gibt es keine Alternative

Nicht zuletzt, dass es zum Lernen wirklich keine Alternative gibt.

Die Autoren von „Neustaat/Politik und Verwaltung müssen sich ändern“ bleiben deshalb auch nicht im Ungefähren, sondern unterbreiten 103 Vorschläge quer durch alle Politikfelder, die unsere Zukunft prägen werden.

Leitbild ist der „der lernende Staat“

Das Rentensystem, die Digitalpolitik, die Arbeitswelt, die Pandemie-Vorsorge, vieles mehr – Leitbild ist „der lernende Staat“. Schneller soll er werden, mehr experimentieren und „niedrigschwellig“ Innovation ermöglichen. Schon das Outfit des Buches ist neu, ist anders, mit Grafiken, mit Überblick durch Zahlen und Daten und Hinweisen auf weiterführende Texte – das wirkt, als würde alles direkt aus dem Netz in die analoge Welt übersetzt.

Das Gelesene könnte gleich in Akten, besser: in Handlungsanweisungen überführt werden.

Aber nur so kann es ja gelingen, das gesellschaftlich Gewünschte und zugleich eine Modernisierung zu erreichen.

Klimaschutz und Fernreisen, Big Data und Datenschutz, Automatisierung und sichere Arbeit: Bundeskanzlerin Angela Merkel, CDU, hat solche Prozesse einmal die „Verwürfelung des Balls“ genannt.

Erste Voraussetzung sind diskutable Vorschläge, an denen entlang Lösungswege beschritten werden können. Ein Beispiel, drängend, weil der demografische Wandel Vorsorge erzwingt, ist die „Doppelrente“, der Vorschlag acht.

Das hat es seit Heiner Geißler nicht mehr gegeben

Danach sollen 2,5 Prozent des Bruttolohns – derzeit etwa 32 Milliarden Euro pro Jahr – statt in die Rentenversicherung in den Aufbau eines Kapitalstocks fließen. Der wird von einem Staatsfonds verwaltet und gewinnbringend investiert.

Zum Ausgleich in der Rentenversicherung baut der Staat eine „Rentenbrücke“, für die er in gleicher Höhe, also ebenfalls derzeit 32 Milliarden Euro, Anleihen auf dem Kapitalmarkt emittiert. Nachdem der Kapitalstock ausreichend gewachsen ist, zahlt der Staatsfonds die Staatsverschuldung der Rentenbrücke zurück.

Unter Anleitung der Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann und Nadine Schön, beide CDU, und gemeinsam mit den Experten versuchen die Autoren also eine Art politischer Disruption.

So etwas aus der Union – das hat es seit den Zeiten des legendären CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler nicht mehr gegeben.

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