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Politik: Rechtsextremismus: Paul Spiegel im Interview: Der Präsident des Zentralrats der Juden zu Anschlägen auf Asylbewerber

Herr Spiegel, schon wieder gab es einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Herr Spiegel, schon wieder gab es einen Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Ich hatte mir 1945 nicht vorgestellt, dass über dieses Thema in Deutschland überhaupt noch diskutiert werden muss. Wahrscheinlich hat sich das niemand vorgestellt. Jetzt aber hören wir täglich von Angriffen auf Ausländer, wöchentlich von Schändungen jüdischer Friedhöfe - ganz zu schweigen von zunehmenden antisemitischen Äußerungen gegenüber Juden. Ich bin darüber zutiefst erschüttert. Der Wind bläst uns so stark entgegen wie noch nie in den letzten 50 Jahren. Ich mache mir allergrößte Sorgen über diese Entwicklung.

Was kann dagegen getan werden?

Ich appelliere an alle Politiker und Intellektuelle in Deutschland, dieses Thema zu besetzen, damit es nicht immer nur von uns angesprochen wird. Denn es geht nicht allein um die Juden in Deutschland. Es geht um Deutschland insgesamt, es geht um die Demokratie und das Zusammenleben der Menschen in diesem Land. Das, was wir alle gemeinsam in den vergangenen 50 Jahren aufgebaut haben, darf nicht von einigen Wenigen in solchem Maße bedroht werden.

Ihr Vorgänger, Ignatz Bubis, zog am Ende seines Lebens und Wirkens eine ziemlich pessimistische Bilanz. Sie selbst schienen immer etwas gelassener zu sein. Hat sich das geändert?

Die überwältigende Mehrheit der in Deutschland lebenden Juden hat nach wie vor Vertrauen in dieses Land, hat Vertrauen in die Demokratie. Aber inzwischen bin ich mir nicht mehr so sicher, dass das, was vor 50 Jahren geschah, sich nicht doch wiederholen kann. Es stimmt, ich habe Bubis in diesem Punkt, seiner resignativen Aussage, widersprochen. Aber heute frage ich mich, ob er nicht doch in vielen Punkten recht gehabt hat. Die Konfrontation mit dem zunehmenden Rechtsextremismus, dem Antisemitismus und der Ausländerfeindlichkeit insbesondere in den vergangenen Wochen hat mich äußerst aufgewühlt.

Herr Spiegel[schon wieder gab es einen Brandansch]

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