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Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Bundesministerin der Verteidigung, spricht bei einem Pressestatement zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan.

© Michael Kappeler/dpa

Kramp-Karrenbauers Reformvorstoß: Richtige Idee, eigenwilliges Timing

Kurz vor Ende ihrer Amtszeit regt die Verteidigungsministerin eine Bundeswehrreform an. Warum ihr Vorschlag viele Chancen bietet. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Wahlkampfzeiten sind im Allgemeinen nicht die besten Momente, um über grundlegende Veränderungen in der Bundeswehr nachzudenken. Annemarie Kramp-Karrenbauer beweist insofern ein recht eigenwilliges Gespür für Timing. Ein paar Monate vor dem Ende ihrer Amtszeit will die Verteidigungsministerin eine Reform einleiten, die klein daherkommt, aber große Auswirkungen haben wird. Das gilt nicht mal so sehr fürs Praktische wie für den künftigen Stellenwert und für das Selbstverständnis der Streitkräfte. Denn die geplante Fokus-Verschiebung von der Armee für den Auslandseinsatz zur Armee für Heimat- und Bündnisverteidigung bedeutet mehr als Rückbesinnung auf die Panzertruppe oder Umbau des Sanitätswesens. Sie stellt die Frage nach der Notwendigkeit des Militärs noch einmal neu.

In den Jahrzehnten im Auslandseinsatz war eine Antwort, auf den ersten Blick paradox, so dringlich nicht. Man konnte leichthin über Sinn und Unsinn der Missionen von Afghanistan bis Mali streiten. Es ging da oft um Prinzipielles, aber – außer natürlich für die Soldaten selbst – nie um Existenzielles. Drohne oder keine Drohne, Zwei-Prozent-Ziel oder nicht, das Kommando Spezialkräfte wegen rechtsextremer Umtriebe auflösen oder nicht, alles wurde mit Verve diskutiert, aber fast durchweg als (partei)politische Haltungsfrage. Deutschen Strategiedebatten haftete etwas Akademisches an, weil kein bitterer Ernst dahinter stand.

Die Bundeswehr muss "kaltstartfähig" werden

Der Umbau, von dem jetzt die Rede ist, bietet zumindest die Chance zu neuer Ernsthaftigkeit. Dass eine Reform in der Sache sinnvoll ist, bezweifelt niemand, der etwas von ihr versteht. Der kurze Frieden nach dem Fall der Mauer war kein Sieg des Pazifismus, sondern Folge eines Schockzustands der Verlierer. In der Neuordnung der Welt spielen militärische Mittel als Option spätestens seit der Annexion der Krim wieder eine Rolle. Wer sie unattraktiv machen will, muss schnell reagieren können, angemessen abgestuft und technisch auf der Höhe der Zeit. Die Bundeswehr muss besser und "kaltstartfähig" werden.

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Aber neben allem, was es dazu an Material oder Geld braucht, erfordert das ein gesellschaftliches Einverständnis. Deutschlands Sicherheit wird weiterhin irgendwie auch in der Sahara oder an der Impffront verteidigt. Notwendig, also um Not vom Land abzuwenden, ist die Armee aus viel ernsteren Gründen. Vielleicht doch eine Frage für ein Wahlkampfjahr.

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