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Politik: Seine Herrlichkeit

Von Robert Birnbaum

Glanz und Elend der CSU sind derzeit am treffendsten mit einem einzigen Satz beschrieben. Der Satz handelt, natürlich, vom Parteivorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten. Er ist in den letzten Tagen und Wochen so häufig zu hören, dass ein ahnungsloser Zuhörer ihn leicht für die Anfangszeile der Parteihymne halten könnte. Er ist aber der Auftakt zu einem Trauermarsch. Der Satz nämlich lautet: „Es gibt keinen Besseren als ihn.“

In der Formulierung steckt noch ein Schimmer von dem Glanz, in dem die Christlich-Soziale Union ihren Edmund Stoiber bis vor einem Jahr erstrahlen ließ. Die Illumination war beispiellos. Auch andere Parteien neigen gelegentlich dazu, ihre Spitzenleute zu leicht übermenschlichen Wesen zu stilisieren. Aber das ist auf den Wahlkampf beschränkt; davor und danach haben eine CDU-Vorsitzende und ein SPD-Chef mehr Ärger als Freude mit ihrer Partei.

Die CSU ist anders. Spätestens seit Franz Josef Strauß selig gehört es zu ihrem Erfolgsrezept, ihre Chefs zu säkularen Erlösergestalten zu erheben. Anders als nördlich der Mainlinie vermutet, ist das kein Überbleibsel der Neuschwanstein-Monarchie, sondern ein durch und durch pragmatischer Vorgang. Die CSU regiert Bayern mit absoluter Mehrheit, weil – und so lange – mehr als die Hälfte der Wähler den Eindruck hat, dass es keiner besser kann. Der Eindruck beruht auf objektiven Erfolgszahlen, einer bemerkenswert lebendigen innerparteilichen Mitsprache- und Widerspruchskultur, die viele Konflikte schon erledigt, bevor sie öffentlich werden, dazu einer starken bundespolitischen Präsenz – und nicht zuletzt der ständigen Inszenierung des Erfolgs. Dafür ist der Chef zuständig. Niemand nimmt das penetrant Kraftstrotzende in Stoibers Auftritten so wenig ernst wie seine CSU. Niemand beobachtet zugleich so genau, ob er’s hinkriegt.

Seit seiner Flucht aus Berlin ist Edmund Stoiber aber von der Rolle. Nichts macht das so sichtbar wie die Kabale um die Landrätin Pauli. In seinen besseren Tagen hätte ein Stoiber die Quertreiberin aus der Provinz nicht mal ignoriert. Jetzt findet sein Büroleiter die Gegnerin so gefährlich, dass er Erkundigungen über sie einholt. Die Spitzelei bleibt nicht wie üblich unter Männern, sondern fliegt auf – was viel über schwindende Loyalität verrät. Zuletzt weiß sich der Allmächtige nicht mehr anders zu erwehren, als alle irdischen Mächte zu Hilf’ zu rufen. Kein Machtwort Stoibers, nein, das Parteipräsidium muss her, damit die Debatte über eine Mitgliederbefragung vielleicht endlich aufhört. Und die Landtagsfraktion muss gleich auch noch her, um ihm zu bestätigen, dass er ihr Favorit bleibt, fast zwei Jahre vor der Landtagswahl.

Wäre Stoiber ein Polit-Aufsteiger, der seine fragile Position absichern wollte, wären das geschickte Züge. So sind es Szenen einer Endzeit. Die mehren sich. In Berlin, wo die Kanzlerin und der SPD-Vorsitzende Entscheidungen ohne den Bayern fällen. Im Bundesrat, wo die CDU-Fürsten ihn als willigen Störenfried vorschicken. In Bayern, wo alle Umfragen melden, dass die CSU wieder eine Chance hat, aber diesmal trotz Stoiber.

Endzeiten können sich hinziehen. Das Beispiel Max Streibl steht vielen noch vor Augen. Den hat lange die Konkurrenz zu vieler Thronfolger gerettet. Für Stoiber finden sich gleichzeitig zu viele und doch keiner: „Es gibt keinen Besseren als ihn.“ Noch geht es um nichts. Noch. Die CSU kann sehr unsentimental sein. Bevor sie ihre Macht riskiert, macht sie dem Elend ein Ende.

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