Politik: Staat weg, Job weg
Nach der formellen Auflösung Jugoslawiens wird Präsident Kostunica nicht mehr gebraucht – auch nicht in Serbien
Als im Oktober 2000 das Milosevic-Regime fiel, ist Vojislav Kostunica der Mann der Stunde gewesen. Der gemeinsame Kandidat der Opposition hatte im Wahlkampf gegen Slobodan Milosevic gesiegt und wurde erster jugoslawischer Präsident der neuen Zeit. Schon damals wirkte er nicht wie ein Volkstribun, sondern eher hölzern und farblos, schwebte aber auf einer Wolke großer Popularität. Aber die scheinbare Harmonie der Wendezeit wurde bald durch einen andauernden Machtkampf mit dem serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic getrübt, der bis heute anhält.
Als jugoslawischer Präsident hat Kostunica wenig bewegt, war aber auch ein Staatsoberhaupt ohne große Vollmachten. Mit dem am Dienstag besiegelten Ende Jugoslawiens verliert er nun seinen Posten. Nach einer stundenlangen Debatte über die neue Verfassung und damit die Bildung eines lockeren Staatenbunds zwischen Montenegro und Serbien beschloss das jugoslawische Parlament schließlich am Abend seine Auflösung. Im Machtkampf mit Djindjic ist es Kostunica jedenfalls nicht gelungen, sich eine neue Machtbasis zu erobern und rechtzeitig in das serbische Präsidentenamt zu wechseln. Obwohl der Juraprofessor mit Abstand die meisten Wähler hinter sich brachte, scheiterte er bei den serbischen Präsidentenwahlen Ende vergangenen Jahres wiederholt an der vorgeschriebenen Mindestwahlbeteiligung von 50 Prozent. So amtiert nun die Parlamentspräsidentin Natasa Micic, die als Gefolgsfrau von Djindjic erst die neue serbische Verfassung abwarten will, bevor sie neue Präsidentenwahlen in der Teilrepublik ausschreibt. Kostunica wird auf diese Weise mindestens ein halbes Jahr politisch kaltgestellt bleiben. Ihm bleibt nur der Vorsitz in seiner kleinen Demokratischen Partei Serbiens (DSS).
Dabei gehört der 58-Jährige zu den populärsten Politikern im Land. Kostunica ist in der Bevölkerung viel beliebter als Djindjic, wenn auch sein Ansehen durch den andauernden Machtkampf bei früheren Sympathisanten gelitten hat. Seine Anhänger sehen in ihm den ehrlichen Anwalt für ihre Belange. Auch unter Reformanhängern gilt er mit seiner Forderung nach einem Rechtsstaat vielen als Schützer der Institutionen gegen Djindjics ungebremsten Griff nach der Macht. Anders als Djindjic, dem eine große Nähe zu Mafia-Kreisen nachgesagt wird, gilt Kostunica bei seinen Anhängern als unbestechlich und prinzipientreu.
Für seine Gegner ist er nie etwas anderes als ein serbischer Nationalist gewesen. „Serbien zuerst, Demokratie später“, lautete lange sein Slogan, wobei er sich selbst als „moderater Nationalist“ versteht. Seine Kritik am UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat seinen Ruf in den westlichen Hauptstädten stark ramponiert.
Der neue lockere Staatenbund Jugoslawien wird nicht mehr allzu viel gemeinsam haben – nicht einmal die Währung. In Montenegro wird mit Euro, in Serbien mit Dinar bezahlt. Auch eine Hauptstadt gibt es nicht. Zwar bleibt die Zentralverwaltung überwiegend in Belgrad, doch Teile davon werden auch nach Podgorica umziehen. In drei Jahren will Montenegro dann endgültig aussteigen und unabhängig werden. Dann darf die bisherige Teilrepublik in einer Volksabstimmung ihre Abspaltung beschließen.
Gemma Pörzgen[Belgrad]