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Afghanistan: Stichwahl im Juni

Der Nachfolger des afghanischen Präsidenten Karsai wird in einer Stichwahl bestimmt. Entscheidend ist nun, wen die Verlierer der ersten Runde unterstützen

Bei den Wahlen in Afghanistan hat der frühere Außenminister Abdullah Abdullah mit Abstand die meisten Stimmen erhalten, aber die absolute Mehrheit verfehlt. Damit muss er sich gemäß Verfassung einer Stichwahl mit dem Zweitplatzierten Ashraf Ghani stellen. Die Verlierer der Wahl könnten dabei zu Königsmacher aufsteigen: Die Stimmen ihrer Wähler entscheiden, wer das Rennen macht. Nach dem vorläufigen Ergebnis erhielt Abdullah 44,9 Prozent der Stimmen und führt damit klarer als erwartet. Ihm folgt Ashraf Ghani, ein früherer Weltbank-Mitarbeiter, mit 31,5 Prozent. Geplanter Termin für die zweite Wahlrunde sei der 7. Juni, sagte der Chef der Wahlkommission Ahmad Yousuf Nuristani.

Abdullah Abdullah hat die erste Wahlrunde gewonnen.
Abdullah Abdullah hat die erste Wahlrunde gewonnen.

© Reuters

Abgeschlagen rangiert Zalmay Rassoul, ein Vertrauter des bisherigen Präsidenten Hamid Karsai, bei 11,5 Prozent der Stimmen. Auf Platz vier unter den insgesamt acht Bewerbern kam der Islamist Abdul Rassoul Sayyaf mit 7,1 Prozent. Die Wahlverlierer können nun das Zünglein an der Waage spielen, wenn sie sich mit ihrer Klientel hinter einen Kandidaten stellen. Sowohl Abdullah als auch Ghani versuchen bereits eifrig, die Verlierer auf ihre Seite zu ziehen. Dabei scheint Rassoul laut Medien zu Abdullah zu tendieren, während Sayyaf sich bedeckt hält.

Ashraf Ghani wirbt nun um die Verlierer der ersten Runde.
Ashraf Ghani wirbt nun um die Verlierer der ersten Runde.

© dpa

Bei der Wahl 2009 war Abdullah auf den zweiten Platz nach Karsai gekommen. Als er keine Siegeschance sah, hatte Abdullah auf die Stichwahl verzichtet. Ähnliches könnte sich wiederholen, sollten sich die Wahlverlierer hinter Abdullah stellen. Damit wäre Ghani chancenlos. Als weitere Option wird spekuliert, dass Abdullah seinem Rivalen einen prominenten Posten im Kabinett anbietet und mit ihm eine „Regierung der nationalen Einheit“ bildet. Bisher haben beide Männer aber einen solchen Hinterzimmer-Deal abgelehnt. „Ich wäre erstaunt, wenn Abdullah und Ghani ihre schweren Differenzen überwinden würden und einen Pakt eingingen", sagte Graeme Smith vom Think Tank International Crisis Group der Agentur Reuters.

Das endgültige Wahlergebnis wird am 14. Mai erwartet, da noch Hunderte Beschwerden wegen Betrugs geprüft werden. Insgesamt geht es um 500.000 Stimmen, die möglicherweise gefälscht sind. Allerdings dürfte dies das Ergebnis nicht entscheidend verändern. Die Wahl am 5. April war als Erfolg gesehen worden. Positiv überrascht hatte vor allem die hohe Wahlbeteiligung. Insgesamt waren sieben Millionen Frauen und Männer wählen gegangen. Es war eine Ohrfeige für die Taliban, die allen Wählern mit Rache gedroht hatte.
Es wäre der erste demokratische Machtwechsel in der Geschichte Afghanistans. Der neue Präsident übernimmt in einer entscheidenden Phase: Ende des Jahres sollen die meisten Nato-Soldaten abziehen. Die USA warten ungeduldig auf die Regierungsübergabe. Karsai weigert sich, ein Militärabkommen zu unterzeichnen, das den USA erlaubt, für mindestens weitere zehn Jahre tausende Soldaten am Hindukusch zu stationieren. Sowohl Abdullah als auch Ghani haben bereits zugesagt, dass sie das Abkommen im Falle eines Siegs absegnen werden.

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