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Christine Lieberknecht.

© Martin Schult/dpa

Update

Regierungskrise in Thüringen: Ramelow schlägt Vorgängerin Lieberknecht als Ministerpräsidentin vor

In Thüringen könnte Ex-Regierungschefin Lieberknecht von der CDU bis zu Neuwahlen eine Übergangsregierung führen. Dann will Ramelow wieder antreten.

Von Matthias Meisner

Paukenschlag in Erfurt: Der frühere thüringische Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) will auf eine erneute Kandidatur für das Ministerpräsidentenamt im Landtag zunächst verzichten - und bringt stattdessen seine Amtsvorgängerin Christine Lieberknecht (CDU) als Übergangs-Regierungschefin ins Gespräch. Das wurde dem Tagesspiegel am Montagabend aus Kreisen der früheren rot-rot-grünen Landesregierung bestätigt.

Für SPD und Grüne kam der Vorschlag überraschend. Nach anfänglichem Zögern signalisierten beide Parteien aber Zustimmung. Die CDU äußerte sich zögerlich. Die Partei verhandelt am Dienstagvormittag über den Vorstoß von Ramelow. Thüringens SPD-Chef Wolfgang Tiefensee sagte dem Sender Bayern2, er vermute, dass die CDU einen Gegenvorschlag machen werden. Zudem äußerte er seinen „Respekt“ gegenüber dem Vorschlag von Ramelow. Lieberknecht selbst sagte, sie wolle sich erst nach den Beratungen ihrer CDU äußern.

Ziel der Initiative von Ramelow ist es, baldige Neuwahlen herbeizuführen, zu denen die thüringische CDU - anders als die Bundespartei es wollte - bisher nicht bereit ist. Diese Neuwahlen sollen spätestens 70 Tage nach einer möglichen Wahl von Lieberknecht stattfinden. Lieberknecht soll demnach auch drei Kabinettsmitglieder ernennen, hieß es in Erfurt - Finanzen, Staatskanzlei und Justiz.

Bodo Ramelow (Linke) präsentiert seinen Vorschlag.
Bodo Ramelow (Linke) präsentiert seinen Vorschlag.

© dpa/Michael Reichel

Von stabilen Verhältnissen „weit entfernt“

Ramelow erklärte nach der ersten Runde der Vier-Parteien-Gespräche, er werde bei einer Neuwahl des Landtags erneut als Ministerpräsidenten-Kandidat ins Rennen gehen. „Ich habe das Ziel, nach der Landtagswahl zum Ministerpräsidenten im Landtag gewählt zu werden“, sagte er. 

Er habe nach der Landtagswahl zunächst auf die Bildung einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung hin gearbeitet - die dann nach seinen Worten „in neuer Form mit der demokratischen Opposition im Landtag zusammengearbeitet“ hätte. Dafür wäre es notwendig gewesen, vertraute Pfade der Regierungsbildung zu verlassen, Politik neu zu denken. „Diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt.“

Stattdessen sei Thüringen von stabilen Verhältnissen, die sich die absolute Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger des Freistaates wünsche, „weit entfernt“. Mit dem Vorschlag einer Übergangs-Ministerpräsidentin Lieberknecht wolle er nun „einen für die demokratischen Parteien in diesem Landtag akzeptablen überparteilichen Weg“ eröffnen.

Aktuell ist der FDP-Politiker Thomas Kemmerich geschäftsführender Ministerpräsident. Er war am 5. Februar mit den Stimmen auch von AfD und CDU gewählt worden, kündigte aber nach heftiger Kontroverse um seine Wahl aber bereits einen Tag danach seinen Rückzug an.

Lieberknecht soll Amtsgeschäfte in Thüringen besser führen als Kemmerich

Wie es heißt, könnte nach Einschätzung der Verhandler die erfahrene Ministerpräsidentin Lieberknecht die Amtsgeschäfte in Thüringen wesentlich besser führen als Kemmerich, der in den letzten Tagen nach Berichten aus der Linkspartei kaum noch in der Staatskanzlei zu sehen war.

Mehr zu den Folgen der Wahl in Thüringen:

  • Gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken, keine Stimmen für Bodo Ramelow: So blockiert sich die CDU selbst, aktuell in Thüringen. Eine Analyse.
  • In Deutschland herrscht kein Chaos wie im politischen System der USA. Doch auch hierzulande werden die Spaltungen im politischen System gefährlicher. Ein Gastbeitrag.
  • Die CDU in Thüringen müsse „verhindern, dass das Land unregierbar wird“, verlangt Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Spitzenpolitiker von Linke, SPD, Grünen und CDU hatten sich am Abend zu einem Gespräch getroffen, um einen Weg aus der Regierungskrise zu finden. Entgegen der Ankündigung nahm Ramelow an dem Treffen in Erfurt teil.

Es gab zu der Runde mehrere Vorgespräche, in denen der Vorschlag eines Verzichts auf eine Kandidatur von Ramelow bei der Wahl eines Ministerpräsidenten im Landtag und die Übergangs-Rolle von Lieberknecht noch kein Thema war. „Ich bin überrascht“, sagte eine thüringische Spitzenpolitikerin der Grünen am Abend dem Tagesspiegel. 

Lieberknecht und Ramelow pflegen seit Jahren ein vertrauensvolles Verhältnis - auch schon zu Zeiten, als die CDU an der Regierung und die Linke in der Opposition war. Insider in Erfurt gehen davon aus, dass Ramelow und Lieberknecht die Vereinbarung untereinander getroffen haben.

Lieberknecht hatte sich am Wochenende im Gespräch mit der „taz“ sehr besorgt über die Lage in Thüringen gezeigt. „Ich habe lange Weimarer Verhältnisse für unmöglich gehalten. Aber nun habe ich erstmals richtig Sorge.“ Lieberknecht forderte in dem Gespräch, ihre Partei müsse aus der Konfrontation zur Linken. „Es muss was passieren.“

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Der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz kommentierte die Initiative von Ramelow auf Twitter: „Manche in meiner Partei haben es für inakzeptabel gehalten, dass die CDU sich einer Wahl von Ramelow nicht entgegenstellt“, schrieb er. „Ich hoffe, sie kritisieren jetzt nicht auch, dass eine MP-Kandidatin der CDU nur mit den Stimmen der Linkspartei ins Amt kommt - wenn es so kommen sollte.“

Vor dem Spitzentreffen der vier Parteien in Erfurt hatte Polenz seine Partei in Thüringen aufgefordert, einer von Ramelow angeführten rot-rot-grünen Minderheitsregierung nicht weiter im Weg zu stehen. „Die CDU könnte sich bei der Wahl des Ministerpräsidenten geschlossen der Stimme enthalten und deutlich machen, dass man den parlamentarischen Tricksereien der AfD geschlossen entgegentritt“, sagte Polenz.

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