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US-Präsident Trump bei einer Kampagne in Toledo, Ohio.

© Saul Loeb/AFP

Republikaner freuen sich auf Trumps Wiederwahl: „Trump hat eine Kultur geschaffen, in der absolute Loyalität erforderlich ist“

Zwischen den Unterstützern und den Gegnern von Trump scheint es mehr als nur tiefe Risse zu geben. Ein Gastbeitrag aus Wisconsin.

Elisabeth Zerofsky ist eine amerikanische Journalistin. Sie schreibt für den „New Yorker“ und das „New York Times Magazine“. Von 2019 bis 2020 ist sie als Stipendiatin der Robert Bosch Stiftung und hospitiert unter anderem beim Tagesspiegel.

Seit 2016 ist Wisconsin, der US-Bundesstaat in dem ich aufgewachsen bin, die Zielscheibe vieler Witze über die amerikanische Politik geworden. Im Jahr 2016, nachdem Hillary Clinton notorisch (und arrogant) davon ausgegangen ist, dass sie diesen Staat so einfach gewinnen wird, dass sie dort gar keine Wahlkampagne braucht, wählte Wisconsin mit einer Mehrheit von etwa 22.000 Stimmen Donald Trump – ein Staat, der in den vergangenen 30 Jahren immer für demokratische Präsidentschaftskandidaten gestimmt hatte.

Diese Stimmen sollen dazu geführt haben, dass Trump das „Electoral College“ (das Kollegium der Wahlmänner und -frauen, Anm. d. Red) gewann, und das auch 2020 wieder tun könnte. Seitdem steht, wann immer etwas Skandalöses in Washington passiert (was natürlich die ganze Zeit der Fall ist), in den Zeitungsschlagzeilen: „Was denken die Wähler in Wisconsin darüber?“

Vor einigen Wochen hat „Saturday Night Live“, eine der beliebtesten Fernsehcomedyshows in den USA, einen Sketch gezeigt, in dem Familien aus San Francisco, Charleston und Atlanta die Auswirkungen des Impeachments diskutieren.

Sie werden von einem Erzähler unterbrochen, der bekannt gibt, dass es niemanden interessiert, was sie denken – weil sie in Bundesstaaten leben, deren Wählerstimmen nicht ausschlaggebend für das Ergebnis sind. 2020 „geht alles nur um ein paar Tausend Leute in Wisconsin, die bis zum Morgen der Wahl noch gar nicht über die Wahl nachgedacht haben.“

Ich bin in Madison aufgewachsen, einer eher linken Universitätsstadt in einem sonst sehr konservativen Bundesstaat. Wir wussten immer, dass wir in einer Blase leben, aber wir sind selten aus der Blase rausgekommen, um zu sehen oder zu verstehen, wie es auf der anderen Seite ist. Wie dem auch sei – 2019 habe ich begonnen, genau das zu tun. Anfang Dezember, als das Impeachment-Drama gerade in Washington begann, war ich auf mehreren Veranstaltungen der lokalen Republikaner in Wisconsin.

Begeistert von Trumps Widerwahl

Es ist zum einen wichtig anzumerken, dass große Teile von Wisconsin, die bisher traditionell die Republikaner gewählt haben, zunächst resistent gegenüber Trump und seinen unzivilisierten Stil blieben. Das zeigen die Wahlergebnisse von 2016. Es ist nicht klar, ob diese Wähler inzwischen hinter Trump stehen, das wir werden das bei der nächsten Wahl sehen.

Aber als ich Anfang Dezember diese Veranstaltungen besuchte, habe ich dort nicht unbedingt Widerstand gespürt. Im Gegenteil: bei einem Weihnachtsessen in Madison, bei dem republikanische Frauen aus Wisconsin zusammensaßen, waren viele begeistert davon, dass Trump im nächsten Jahr wieder gewählt werden könnte. 

Trump habe alle Versprechungen gehalten

Das Impeachment wurde kaum erwähnt – das Thema kam nur einmal auf, als jemand sagte, es habe nur dazu geführt, dass noch mehr Menschen Trump unterstützen. Ich habe mit zwei Frauen gesprochen, die ihn 2017 unterstützt hatten; beide sagten mir, dass Trump, im Gegensatz zu ehemaligen Politikern, alle seine Versprechungen eingehalten habe.

Der Wirtschaft gehe es gut, jeder habe einen Job. Trump habe das Einwanderungsproblem gelöst und das Impeachment sei nur eine „dumme Masche“, ein Spektakel von weit entfernten Eliten, die sich gegenseitig bekämpfen. Beide Frauen argumentierten, dass es keinen eindeutigen Beweis einer Straftat gäbe (als ob ein Mann, der einen Mord begangen hat, laut sagen müsste, dass er das getan hat, damit die Straftat als bewiesen angesehen wird).

„Trump hat alles für die Amerikaner gemacht“

Was ich aber vielleicht sogar am interessantesten fand, war, dass beide Frauen sagten: alles was Trump getan hat, hat er für die Amerikaner getan – und dass sie niemals glauben würden, dass er seine persönlichen Interessen an erster Stelle kommen lassen würde. Sie waren überzeugt von seiner liebevollen und ehrlichen Hingabe zu den Vereinigten Staaten, „er liebt Amerika wirklich“, wie der Leiter der Gruppe mir sagte. „Alles, was er tut, ist für Amerika. Alles, was er tut, ist für uns – für das Volk.“

Es gibt einige Antworten, die ich vielleicht noch hätte nachvollziehen können – aber nicht diese. Donald Trump bleibt ein New Yorker Immobilien-Tycoon und „selbstlos“ ist keine Beschreibung, die man ihm jemals ernsthaft zuordnen könnte.

Eine Erklärung sind die Fox News

Einen Teil der Erklärung für diese Antwort findet man sicher in den konservativen Nachrichtenformaten in den USA, vor allem bei Fox News, und bei jenen Republikanern, die in Interviews voll hinter Präsident Trump stehen. Während ihrer regelmäßigen Auftritte in dem Programm spielen sie Trumps Blasphemien herunter und nutzen dafür Millionen „alternativer Fakten“. 

Der Politikwissenschaftler Daniel Ziblatt von der Universität Harvard, Co-Autor zusammen mit Steven Levitsky des Buches „Wie Demokratien sterben“, brachte ein Argument ein, das eine weitere Erklärung liefern könnte. Ziblatt weist auf die Art der politischen Polarisierung in den USA zwischen Republikanern und Demokraten hin, über die in den letzten drei Jahren so viel gesprochen wurde.

Tiefe parteipolitische Differenzen

Bei einem Vortrag in der American Academy in Berlin stellte Ziblatt fest, dass etwa die Hälfte der Amerikaner, die sich mit einer der beiden Parteien identifizieren, die andere Seite tatsächlich fürchten. „Das ist nicht nur die traditionelle liberal-konservative Polarisierung“, sagte er. „Die Menschen fürchten und verabscheuen sich nicht aufgrund von Diskussionen über Steuern oder das Gesundheitswesen. Die heutigen parteipolitischen Differenzen gehen viel tiefer: es geht um Rassismus, Religion und Lebensweise.“

Ziblatts Analyse stimmt mit dem überein, was ich die Leute in Wisconsin sagen hörte. Immer wieder drückten jene beiden Frauen ihre Angst darüber aus, dass wieder ein Demokrat Präsident werden könnte. Würde diese Art von Angst, eine Angst, die im letzten Jahrhundert unter den damaligen Umständen eine Auslöser für Kriege war, dazu führen, dass die Menschen das Verhalten des Präsidenten ignorierten oder Extreme bemühten, um es zu rationalisieren?

Kultur der absoluten Loyalität

Die Republikaner im Senat, die letztlich für das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump verantwortlich sein werden, werden ihn vermutlich auch freisprechen. Über ihnen hängt Trump, mit einem eisernen Griff in die Partei hinein, wie die „New York Times“ kürzlich berichtete.

Trump hat eine interne Kultur geschaffen, in der absolute Loyalität erforderlich ist. Andersdenkende werden öffentlich beschämt und gefährden ihre politische Karriere. Zusätzlich wollen die republikanischen Wähler dafür sorgen, dass die Anklage wegen Amtsmissbrauchs sich einfach auflöst.

Karriererisiko für Republikaner

Für republikanische Senatoren bedeutet es ein Risiko für ihre zukünftige Karriere, Trump aus dem Amt zu entfernen. Natürlich wäre es in so einer Situation das Richtige, die eigene Karriere zu riskieren – aber wir leben nicht in einer Zeit, in der man das Richtige tut.

Darüber hinaus funktioniert diese politische Strategie sehr gut, wie wir gesehen haben. So blockierte Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, kurz vor der letzten Wahl 2016 verfassungswidrig Barack Obamas Kandidat für den Obersten Gerichtshof. Was McConnell tat, war illegal – aber es brachte eine enorme Unterstützung der Republikaner für Trump hervor.

In diesem Fall ist das, was Trump getan hat (und es gibt tatsächlich Beweise dafür), die Definition eines strafbaren Vergehens. Trump hat die gesamte Kraft des amerikanischen Staates und 391 Millionen Dollar benutzt, um eine ausländische Regierung zu erpressen, damit sie ihm hilft, seinen politischen Gegner zu beschmutzen.

Wenn republikanische Senatoren dies aus parteiischen Gründen ignorieren, werden sie das mächtigste Verfassungs-Werkzeug zur Aufrechterhaltung des Machtgleichgewichts zwischen den Regierungszweigen beschädigen, vielleicht sogar zerstören. Was würde in diesem Fall passieren? Ich weiß es leider nicht.

Elisabeth Zerofsky

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