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Stärkste Partei in dem neu gewählten Parlament in Ägypten sind die Muslimbrüder, gefolgt von den radikalislamischen Salafisten.

© dpa

Nach Wahlen: Tumult im ägyptischen Parlament

In Ägypten ist das Parlament am Montag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Bei der Vergabe wichtiger Ämter gab es Tumulte.

Kurz vor Mittag teilten sich im ägyptischen Staatsfernsehen plötzlich die Live-Bilder. Rechts legte gerade der salafistische Abgeordnete Abdul Aziz Masruth mit langem schwarzen Bart und weißer Robe seinen Eid auf die Übergangsverfassung ab. Links stieg vom Gelände der Polizeiakademie am Stadtrand von Kairo der weiße Hubschrauber auf, um den Angeklagten Hosni Mubarak vom Gerichtssaal zurück zu bringen in das Armeekrankenhaus, wo er für die Zeit seines Mordprozesses versorgt wird. Den ganzen Montagvormittag hatten die Anwälte des gestürzten Präsidenten wieder einmal auf unschuldig plädiert, während im ehrwürdigen Parlamentsbau aus kolonialer Zeit im Herzen von Kairo, wenige hundert Meter vom Tahrir-Platz entfernt, für Ägypten eines neues Kapitel seiner Geschichte begann.

Am Morgen kurz vor zehn Uhr trafen die ersten der 498 frisch Gewählten am Hintereingang des hoch gesicherten Kuppelbaus ein, empfangen mit Applaus und „Allah ist groß“-Rufen. Einige der neuen Volksvertreter trugen gelbe Schals um den Hals mit der Aufschrift „Ich respektiere die Errungenschaften der Revolution. Schluss mit den Prozessen vor Militärgerichten“. Mit lächelnden Gesichtern schüttelten sie die Hände der Schaulustigen – Szenen, wie es sie in den letzten drei Jahrzehnten noch nie vor dem ägyptischen Parlament gegeben hatte.

Drinnen im Plenarsaal dann begann das Abgeordneten-Dasein mit einem Eid. Drei Stunden lang ließ Alterspräsident Mahmud al-Saqqa jeden einzelnen schwören, er selbst ein fülliger Jurist aus den Reihen der liberalen Wafd-Fraktion, der trotz seiner 81 Jahre nicht den Eindruck vermittelt, dass er Widerspruch duldet. Als der ultrakonservative Rechtsanwalt Mamduh Ismail von der salafistischen Wahrhaftigkeitspartei dem Eid „Ich schwöre, die Sicherheit der Nation und die Interessen des Volkes zu wahren sowie die Gesetze und die Verfassung zu achten“ in Eigenregie die Worte „es sei denn die Gesetzes Gottes werden verletzt“ hinzufügte, ließ der energische Alterpräsident ihn die Eidesformel so lange wiederholen, bis der fromme Mann schließlich nachgab und auf seinen Gottesschwur verzichtete. Anderen Salafisten, die diesem Beispiel folgten, ließ er kurzerhand das Mikrofon abdrehen. Einen Antrag der Frommen, die Sitzung für das Mittagsgebet zu unterbrechen, wischte er mit ärgerlicher Geste beiseite.

Schon bei der Wahl des Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter gab es dann die ersten Tumulte und lautstarke Wortgefechte, auch wenn sich die Fraktionen bereits letzte Woche auf die Verteilung der Ämter verständigt hatten. Und so ging der Spitzenposten in namentlicher Abstimmung an Saad El-Katatini, früherer Sprecher der Muslimbruderschaft. Stellvertreter wurden ein Mitglied der Salafisten und der liberalen Wadf-Partei, die als drittstärkste Fraktion in das Parlament einzog. Nach der Geschäftsordnung haben die Parlamentspräsidenten eine starke politische Stellung. Sie bestimmen die Tagesordnung, sie können die Debatte spezifischer Themen unterbinden – eine Entscheidungsmacht, die besonders die zwölf übrigen kleinen Fraktionen der Opposition mit Sorge sehen.

Erst 48 Stunden zuvor hatte die Oberste Wahlkommission Ägyptens das offizielle, amtliche Endergebnis der Parlamentswahl bekannt gegeben, dem ein siebenwöchiger Wahlmarathon in drei Etappen vorausgegangen war. Mit 235 Sitzen wurden die Muslimbrüder stärkste Fraktion, gefolgt von der salafistischen „Partei des Lichtes“ mit 123 Sitzen. Die liberale Wafd-Partei erlangte 38 Mandate, auf dem vierten Platz gefolgt vom „Bündnis für Ägypten“, einem Zusammenschluss dreier liberaler Parteien, mit 34 Sitzen. Die übrigen elf Miniparteien kommen zusammen auf 45 Mandate, 23 Abgeordnete zogen als Unabhängige in das Plenum ein.

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