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Politik: Ukraine: Visa-Missbrauch die Ausnahme

Botschafter fürchtet Schaden für sein Land / Rot-Grün sieht Ursache der Probleme bei Kohls Regierung

Von Hans Monath

Berlin - Die Affäre um den Missbrauch deutscher Einreisevisa bekommt auch eine außenpolitische Dimension. Die Ukraine befürchtet inzwischen, dass übertriebene Vorwürfe in diesem Zusammenhang dem Land schaden können. „Wir verwahren uns entschieden gegen den Pauschalverdacht, wonach aus der Ukraine vor allem Kriminelle in das Bundesgebiet geströmt seien“, sagte der ukrainische Botschafter Serhij Farenik dem Tagesspiegel. Die Ukrainer hätten jahrzehntelang auf die Chance zu reisen gewartet. Nach der Wende hätten sie gemerkt, „dass sie in einem freien Land leben“. Diese Möglichkeit hätten sie nutzen wollen.

Zwar seien auch Kriminelle oder Menschenhändler nach Deutschland eingereist. „Aber die Probleme werden aufgebauscht“, sagte Farenik. Nun bestehe in der Visa-Affäre die Gefahr, „dass das Image unseres Landes in Deutschland beschädigt wird“.

In der Debatte um Visa-Missbrauch machte Regierungssprecher Bela Anda die Vorgängerregierung für Fehlentwicklungen verantwortlich. Der Missbrauch beruhe nicht auf dem so genannten Volmer-Erlass vom März 2000, sondern auf Verfahren, die unter der Kohl-Regierung eingeführt worden seien, sagte er.

Auch Außenminister Joschka Fischer lastet die Ursachen der VorgängerRegierung an. Fischer hatte am Donnerstagabend bei einem Wahlkampfauftritt in Kiel die von der Kohl-Regierung eingeführten Reiseschutz- und Reisebüroverfahren als eigentlichen Ausgangspunkt der Affäre bezeichnet. Beide Instrumente seien missbrauchsanfällig, sagte er mit Verweis auf das Bundeskriminalamt, das zum gleichen Schluss gekommen war. Bei der Aufklärung der Vorgänge „wird man nicht erst 1998 beginnen können“, betonte Fischer. Zudem seien „die Dinge abgestellt“.

Die Union wies diese Darstellung entschieden zurück. Unter der Regierung Kohl habe die Visa-Ausgabe „nicht ansatzweise die Dimension“ gehabt wie zwischen 1999 und 2004, als sechs Millionen Visa ausgestellt worden seien, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, im Deutschlandfunk. „Die Misere fällt ausschließlich in Fischers Amtszeit.“ Die 1995 eingeführte Reiseschutzversicherung sei nur eine von mehreren Voraussetzungen für die Visaerteilung gewesen, sagte Röttgen weiter. Zusätzlich sei der Reisezweck geprüft worden. Erst in der Amtszeit Fischers sei die Anweisung ergangen, die Prüfpraxis zu lockern.

Die Union forderte außerdem Auskunft über Reisen Fischers nach Kiew und seine Gespräche mit dem deutschen Botschafter vor Ort. „Wir werden dem nachgehen und das im Ausschuss genau untersuchen“, zitierte die Hannoversche „Neue Presse“ den Unions-Obmann im Visa-Untersuchungsausschuss, Eckart von Klaeden.

Fischer kündigte an, er werde sich auch vor seiner Vernehmung durch den Visa-Untersuchungsausschuss öffentlich gegen Vorwürfe wehren. „Ich werde die Öffentlichkeit weder scheuen noch mich zurückhalten“, sagte er. Einen Rücktritt wegen der Affäre schloss der Politiker aus.

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