zum Hauptinhalt

Politik: Umstrittene Beweisführung

Nach dem Tod eines mutmaßlichen Drogenhändlers in Hamburg ist der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln weiter umstritten. Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD) lehnt die Verabreichung solcher Mittel unter Zwang strikt ab.

Nach dem Tod eines mutmaßlichen Drogenhändlers in Hamburg ist der zwangsweise Einsatz von Brechmitteln weiter umstritten. Niedersachsens Innenminister Heiner Bartling (SPD) lehnt die Verabreichung solcher Mittel unter Zwang strikt ab. "Das verstößt gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit", sagte Bartling. Außerdem seien die gesundheitlichen Risiken zu hoch. Natürlich sei es gerechtfertigt, Beweismittel wie Rauschgiftkugeln sicherzustellen. "Das geht aber auch auf anderem Wege."

Bartling reagierte damit auf den Tod eines mutmaßlichen Drogenhändlers, der gestorben war, nachdem ihm am vergangenen Sonntag in Hamburg gewaltsam mit Hilfe einer Magensonde ein Brechsirup eingeflößt worden war. Der 19-Jährige hatte sich gewehrt und war mit einem Herzstillstand zusammengebrochen. Er hatte 41 Rauschgiftkugeln geschluckt. "Die zwangsweise Einführung einer Sonde hat es in Niedersachsen noch nicht gegeben und wird es in Nieder-sachsen auch nicht geben", versicherte der Innenminister. Im Hamburger Fall sei aus seiner Sicht die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt worden. Niedersachsen wende Brechmittel nur auf freiwilliger Basis an. "Nur wenn der Betroffene sich bereit erklärt, ein solches Mittel zu nehmen, wird es ihm gegeben." Hamburgs Innensenator Schill befürwortet die Zwangsmaßnahme. Der Einsatz von Brechmitteln war in Hamburg aber noch von der rot-grünen Koalition gebilligt worden.

In Bremen sollen weiterhin Brechmittel gegen mutmaßliche Rauschgifthändler eingesetzt werden, um verschluckte Drogenbehälter als Beweismittel sicherzustellen. Ein Antrag der Grünen, vorerst auf die Verabreichung von Brechmitteln zu verzichten, wurde in der Bremischen Bürgerschaft von der großen Koalition und von der rechtsextremen DVU abgelehnt. Die SPD betonte, in Bremen gebe es für die Betroffenen ausreichenden medizinischen Schutz. Innen-Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) sagte, wer "konsequent und hart" Drogenhändler bekämpfen wolle, könne auf diese "zugegeben sehr drastische Methode" nicht verzichten. Der CDU-Abgeordnete Rolf Herderhorst nannte Dealer "in gewissem Sinne Mörder", die keine "mädchenhafte Behandlung" verdienten.

Der Vorsitzende der Klinikärzte-Vereinigung "Marburger Bund", Frank Ulrich Montgomery, rät Medizinern dringend davon ab, sich an einer derartigen Gewaltanwendung zu beteiligen. Beweissicherung etwa gegen Drogendealer sei Sache der Staates, sagte Montgomery. Ärzte seien weder Erfüllungsgehilfen noch Vollstrecker der Staatsanwaltschaft, erklärte Montgomery, der in Hamburg auch Chef der Ärztekammer ist. Die Kammer habe bereits Ende Oktober festgestellt, "dass kein Arzt zur Teilnahme an diesen Maßnahmen gezwungen werden kann". Die Obduktion des mutmaßlichen Drogendealers aus Hamburg habe gezeigt, dass der 19-Jährige vor dem Zwangseingriff gesund gewesen sei. Sein Tod sei ganz offensichtlich Folge der Maßnahme. Er habe überhaupt kein Verständnis für Drogendealer, stellte Montgomery klar. "Aber ich habe Mitleid mit jedem Menschen."

stg

Zur Startseite