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Politik: UN-Generalsekretär fordert von Europäern größeres Selbstbewußtsein gegenüber USA

BERLIN (Tsp).UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Westeuropäer aufgefordert, offen für eine Erweiterung ihrer Union für Osteuropa zu sein und ihre Verantwortung in der Welt aktiv wahrzunehmen.

BERLIN (Tsp).UN-Generalsekretär Kofi Annan hat die Westeuropäer aufgefordert, offen für eine Erweiterung ihrer Union für Osteuropa zu sein und ihre Verantwortung in der Welt aktiv wahrzunehmen.Annan sagte am Montag in der traditionellen "Berliner Rede", von außen vermittle Europa das Bild, vor allem mit den eigenen Sorgen beschäftigt zu sein.Er unterstütze die deutschen Bemühungen um einen Ständigen Sitz im Sicherheitsrat "im Rahmen einer umfassenden UN-Reform".Zum Kosovo-Konflikt sagte Annan, von einer "Lösung" könne nur gesprochen werden, wenn "die Flüchtlinge und Vertriebenen rasch und sicher in ihre Heimat zurückkehren können".

Annan sprach auf Einladung von "Partner für Berlin" im Hotel Adlon vor Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur.Er wurde begrüßt von Bundespräsident Roman Herzog, der vor zwei Jahren mit seiner "Ruck"-Rede die Tradition der "Berliner Rede" begründet hat.In seiner Ansprache forderte Annan Westeuropa auf, in größerer Einigkeit zu handeln und seinen Einfluß über die Grenzen der Europäischen Union hinaus zu nutzen."Könnten sie nicht, ohne ihre jeweilige nationale Identität und ihre Institutionen aufzugeben, ihre außenpolitische Handlungsfähigkeit stärken und nach außen mit einer Stimme sprechen?", fragte er.Wir lebten nicht in einer "unipolaren Welt" in der es nur eine Supermacht - die Vereinigten Staaten - gebe.Aber es gebe andere Möglichkeiten, Einfluß anders auszuüben, durch Handel, Kultur und Diplomatie.

Die Europäische Union müsse sich vergegenwärtigen, daß sie mit ihrem Umgang mit den Staaten Ost- und Südosteuropas Verantwortung für die Entwicklung der gesamten Region trage, mahnte Annan.In vielen Ländern, die von vorneherein gar nicht erst als künftige Mitglieder der Union in Frage kämen, habe sich "ein Gefühl des Ausgeschlossenseins breitgemacht".Das "hohe, inspirierende Ideal" der europäischen Einheit dürfe nicht zu einer neuen Teilung Europas führen, "mit einem komfortablen, wohlhabenden und demokratischen Westeuropa - oder West- und Mitteleuropa - auf der einen Seite und einem verarmten, von Kriegen zerrissenen, ressentimentgeladenen Ost- und Südosteuropa auf der anderen Seite".Kandidaten sollten nicht bedingungslos aufgenommen werden.Aber es wäre "selbstmörderisch, wollte man sich nur auf die aussichtsreichsten Kandidaten konzentrieren und gleichzeitig zulassen, daß die anderen immer weiter zurückfallen".Kritisch merkte der Generalsekretär an, es hätten auch ohne die Kriege auf dem Balkan kreative Vorschläge für den Wiederaufbau Südosteuropas vorgelegt werden müssen.

Deutschland soll nach Ansicht des UN-Generalsekretärs in der Weltpolitik eine kräftigere Rolle spielen.Eine Mitgliedschaft Deutschlands im UN-Sicherheitsrat würde Annan begrüßen, "im Rahmen einer umfassenderen Reform" der UN.

Annan betonte, daß unter einer Lösung der Kosovo-Krise nur die Rückkehr der Flüchtlinge in Sicherheit und Frieden verstanden werden könne.Wenn im Kosovo ein Leben unter Beachtung der bürgerlichen und politischen Rechte möglich werde, könne von einem Sieg für Europa, für die Vereinten Nationen und die Menschheit gesprochen werden.Alles andere wäre ein "Fehlschlag".Abweichend vom vorbereiteten Redetext kündigte Annan an, er wolle zwei diplomatische Beauftragte für die Lösung der Kosovo-Krise benennen, nannte jedoch keine Namen.Die beiden Beauftragten könnten ihre Arbeit aufnehmen, sobald die notwendigen Vorarbeiten abgeschlossen seien, unter anderem bei seinem am Mittwoch beginnenden Besuch in Moskau, sagte Annan.

Kofi Annan hält sich bis Mittwoch in Deutschland auf.Dabei will er unter anderem mit Bundeskanzler Schröder, Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping zusammentreffen und in Dresden die Ehrendoktorwürde der Technischen Universität entgegennehmen.

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