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Gotteslästerung: UN kämpft gegen afghanisches Todesurteil

Er wollte Studenten nur eine neue Interpretation des Korans zum Lesen geben. Doch das hatte Folgen: Weil ein Afghane eine frauenfreundliche Version aus dem Internet ausdruckte, soll er hingerichtet werden. Jetzt schalten sich die Vereinten Nationen und Belgien ein.

Das Todesurteil gegen den jungen afghanischen Journalisten Perwis Kambachsch hat diplomatische Folgen: Belgiens Außenminister Karel De Gucht bestellte den afghanischen Botschafter in Brüssel zur Erläuterung des Falls ein, meldet die belgische Nachrichtenagentur Belga. De Gucht habe dem Botschafter seine ernste Sorge über das Urteil mitgeteilt. Diplomaten haben zudem den Druck auf die Regierung in Kabul erhöht, ein rechtsstaatlich einwandfreies Berufungsverfahren zu gewährleisten. „Wir drängen auf eine ordentliche und vollständige Überprüfung des Falls“, heißt es in einer Erklärung der Vereinten Nationen in Kabul.

Gotteslästerung als Urteil ist schnell zur Hand

Der 23-jährige Kambachsch war vergangene Woche in einem nichtöffentlichen Verfahren von einem Provinzgericht wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt worden. Der Journalist soll unter Studenten einen Text verbreitet haben, in dem Passagen aus dem Koran in frauenfreundlicher Weise interpretiert werden. Diese hatte er von einer iranische Internetseite kopiert.

Die internationale Medienorganisation IWPR (Institut für Kriegs- und Friedensberichterstattung) vermutet, dass die Verurteilung Kambachschs im Zusammenhang mit der kritischen Berichterstattung seines Bruders Said Jakub Ibrahimi steht. Dieser ist ein bekannter IWPR-Reporter. „Das ist ein Vorwand, um gegen Jakub vorzugehen“, meinte die IWPR-Landesdirektorin Jean Mackenzie. Ibrahimi habe zahlreiche kritische Berichte über lokale Machthaber und Regierungsvertreter verfasst, kurz bevor sein Bruder verhaftet wurde. Nach Angaben von Ibrahimi hatte der afghanische Geheimdienst vergeblich versucht, ihn zur Preisgabe seiner Quellen zu zwingen.

Der Verurteilte hat Berufung eingelegt

Außenminister De Gucht protestierte gegen den "unannehmbaren Charakter des Urteils" und die Art des Prozesses. Dem Angeklagten sei kein Verteidiger erlaubt gewesen. "Respekt für den Rechtsstaat und das Prinzip eines gerechten Verfahrens sind von großer Bedeutung für Belgien, Partner der afghanischen Regierung in ihrem aktuellen Bemühen um den Wiederaufbau des Landes", erklärte das Ministerium.

Botschafter Nia Nezam versprach den Angaben zufolge, die Sorgen der belgischen Regierung unverzüglich nach Afghanistan zu übermitteln. Er betonte demnach, dass es sich um ein Urteil erster Instanz handele und der Verurteilte bereits Berufung eingelegt habe. Auch die afghanische Regierung verfolge den Fall mit Sorge, respektiere aber die Unabhängigkeit der Justiz. (liv/dpa)

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