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Ein unabhängiger Wahlhelfer wartet auf Wähler in Vuwani, Südafrika

© AFP/Mujahid Safodien

Kommunalwahlen in Südafrika: „Unter der Apartheid ging es uns besser“

Viele Südafrikaner sind desillusioniert. Einige würden ihre Selbstbestimmung sogar gegen funktionierende Verwaltung tauschen.

Brennende Autoreifen, Plünderungen und 14 ermordete Politiker – es sind Wahlen in Südafrika. Am Mittwoch haben die Bewohner der Kaprepublik neue Kommunalregierungen für ihre Städte und unzähligen Dörfer gewählt. Das Endergebnis wird frühestens am Freitag erwartet. Im Vorfeld des Urnengangs kam es landesweit zu teils heftigen Protesten gegen Politiker, die trotz relativer Unbekanntheit von den Parteien ins Rennen geschickt wurden.

Die Volksvertreter auf Lokalebene sind unter anderem verantwortlich für die Versorgung mit Wasser und Strom oder die Finanzierung von Schulen – alles Notwendigkeiten, mit denen Südafrika 22 Jahre nach dem Ende der Apartheid immer noch ringt. Das Leben in Südafrika bleibt von gravierenden Einkommensunterschieden bestimmt. Reiche Politeliten tragen zur Missstimmung bei, sodass einige Vertreter der schwarzen Bevölkerung sogar ihre Selbstbestimmung gegen eine funktionierende Grundversorgung eintauschen würden: „Wir haben uns in den Fuß geschossen, als wir die Apartheid-Regierung stürzten“, sagt Wele Ntshongola, Bürgermeister von Tsholomnqa in der Provinz Ostkap. Anders als heute hatte sein Dorf vor der demokratischen Wende 1994 geteerte Straßen, Arbeiter wurden für deren Instandhaltung bezahlt und obendrein gab es kostenlos Saat und Dünger. „Die Apartheidgesetze unterstütze ich keinesfalls, doch zumindest kümmerte man sich damals um uns.“

Den Namen der zuständigen Parlamentarier kennt niemand

Enttäuschte Hoffnungen auch im Township Roshnee bei Johannesburg. „Wir haben es aufgegeben, die Regierung um irgendwelche Gefälligkeiten zu bitten“, sagt ein Bewohner. Stattdessen nahm die Gemeinde aus überwiegend indischstämmigen Südafrikanern die Sache selbst in die Hand. Eine Nachbarschaftswache ersetzte die abwesende Polizei. Freiwillige füllen die Schlaglöcher oder versehen Dienst in der selbst erbauten Klinik, die täglich 200 Kranke behandelt. Den Namen des für sie zuständigen Parlamentsabgeordneten – den kennt niemand.

Vorherrschende Partei ist 22 Jahre nach Nelson Mandelas Vereidigung nach wie vor der Afrikanische Nationalkongress (ANC) – er kontrolliert bis auf das Westkap (Kapstadt) alle neun Provinzen des Landes und den Großteil der Städte darin. Vor allem in ländlichen Regionen genießt die ehemalige Befreiungsbewegung große Unterstützung. „Es macht keinen Sinn, die Partei zu wechseln“, meint die arbeitslose Elaine Cloete in der heruntergekommenen Bergbaustadt Nababeep. Obwohl die Toilette, die ihr der ANC vor fünf Jahren versprach, nie installiert wurde, will sie ihm am Mittwoch ihre Stimme geben.

In Südafrikas Städten zeigt sich währenddessen ein ganz anderes Bild. Sie gelten als Zentren des Wandels. Zum ersten Mal besitzt die Opposition reelle Chancen, Metropolen wie Pretoria oder Port Elizabeth einzunehmen. Von Drohungen wie jüngst von Präsident Jacob Zuma lassen sich die Städter kaum beeindrucken: Wer den ANC verlasse, den bestraften die Ahnen und den verfolge das Pech, so sagt das Staatsoberhaupt.

Die Opposition formiert sich links und rechts des ANC

Athol Trollip, Kandidat der größten Oppositionspartei Demokratische Allianz (DA) am Ostkap, sagt: „Bringst du die Schlüsselmetropolen unter deine Kontrolle, wirst du im Staat zur alternativen Regierung.“ Der ANC wird von zwei Oppositionsparteien herausgefordert: Die Demokratische Allianz (DA), eine wirtschaftsliberale Partei ursprünglich der Weißen, die aber in letzter Zeit immer mehr Zuspruch unter Schwarzen aus der Mittelschicht findet. 2015 wählte sie erstmals einen Schwarzen zum Vorsitzenden, den erst 36-jährigen charismatischen Mmusi Maimane.

Links vom ANC hat der einstige Chef der ANC-Jugend, Julius Malema, die „Economic Freedom Fighters“ (EFF) gegründet. Ihr 35-jähriger Führer Julius Malema fordert die Enteignung weißer Farmer und die Ablösung des korrupten Zuma-Regimes. Er und seine Anhänger kleiden sich in roten Guerilla-Uniformen.

Ein schlechtes Ergebnis könnte den ANC retten

Der ANC ist gespalten. So kam es in den letzten Wochen zu zahlreichen politisch motivierten Tötungsdelikten, bei denen mindestens 14 Regionalpolitiker starben. Bei dem Großteil soll es sich um parteiinterne Machtkämpfe gehandelt haben. „Es ist wahrscheinlich, dass die Gewalt auch nach dem Wahltag weitergeht, vor allem wenn der ANC einige der großen Bezirke verliert“, warnt der Politexperte Andre Duvenhage.

Gerade ein schlechtes Abschneiden könnte dem ANC jedoch das Überleben sichern, analysiert das Institute for Security Studies, eine angesehene Denkfabrik in Pretoria. Ihr zufolge kämpften „Traditionalisten“ und „Reformer“ um die Vorherrschaft im ANC: Ländliche, schwarz- nationalistische Anhänger von Präsident Zuma gegen eine urbane, multiethnische und aufgeklärte Generation. Eine Wahlniederlage für den ANC könnte den Reformern einen Schub geben und infolge der Zukunft Südafrikas.

Von Markus Schönherr

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