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Corona-Rebellen vorneweg. Beim versuchten Sturm auf den Reichstag im August 2020 waren die "Corona Rebellen Düsseldorf" eine der treibenden Kräfte.

© imago images/JeanMW

Verfassungsschutz analysiert Coronaleugner: Hass und Hetze gegen Staat und Nato

Der Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen nimmt sich extremistische Coronaleugner vor. Die nutzen für ihre Propaganda auch den Krieg in der Ukraine

Von Frank Jansen

Es ist eine Zäsur in der Sicherheitspolitik und ein Beleg für wachsende Gefahr. Mit dem Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen beschreibt erstmals ein Nachrichtendienst in seinem Jahresbericht in einer eigenen Rubrik die Umtriebe extremer Coronaleugner und Impfgegner.

Der sperrige Titel lautet „Demokratiefeindliche und/oder sicherheitsgefährdende Delegitimierung des Staates“. Teile der Protestbewegung gegen die staatlichen Schutzmaßnahmen in der Pandemie verfolgten eine „systemfeindliche Agenda“, schreibt der Verfassungsschutz im Report für 2021. Es gehe darum, die Grundordnung der Bundesrepublik „ zu delegitimieren und Gewalt zur Durchsetzung der eigenen politischen Auffassungen zu propagieren“.

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Der Nachrichtendienst hat zudem einen früheren „Sonderbericht“ zu Verschwörungsmythen und Coronaleugnern aktualisiert. Die weiteren Verfassungsschutzbehörden in Bund und Ländern werden das Phänomen wahrscheinlich auch in ihren Jahresberichten nennen.

Düsseldorfer Coronaleugner beim versuchten Sturm auf den Reichstag dabei

Ein Indiz für die Gefahr ist die Zunahme von Straftaten. Die Zahl politisch motivierter Delikte von Coronaleugnern und Impfgegnern stieg 2021 in NRW auf 658. Das sind über 200 mehr als im Jahr zuvor. Es trifft auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), er wird massiv bedroht. Den harten Kern der „Delegitimierer“, wie die Behörden intern das Milieu nennen, schätzt der Verfassungsschutz in NRW auf 300 Personen. Genannt werden im Jahresbericht unter anderem das Netzwerk der Querdenken-Initiativen und die „Corona Rebellen Düsseldorf“. Die Rebellen fielen auch in Berlin auf, im August 2020 beteiligten sie sich am  versuchten Sturm auf den Reichstag.

Szene im Wandel

Die Szene befindet sich jedoch im Wandel. Der Verfassungsschutz beobachtet, dass die Bedeutung der Querdenker und „Rebellen“ nachlässt. Die Szene wird noch diffuser. In NRW gebe es „mittlerweile eine dreistellige Zahl von lokalen Telegram-Gruppen ohne namentlichen Bezug auf die Querdenken-Initiativen, in denen man sich in der Ablehnung der Corona-Schutzmaßnahmen bestätigt, sich vernetzt und für Versammlungen wirbt“, steht im Jahresreport. Die Verfassungsfeindlichkeit bleibt. Auch bundesweit. Die Agitatoren werden nicht weniger. Außerdem ist die Abgrenzung zu den vielen tausend weiteren Protestierern im Netz und auf der Straße schwer. Die Trennlinien zwischen Delegitimierern und den oft auch aggressiven Mitläufern verschwimmen.

280.000 Teilnehmer bei „Montagsspaziergängen“

„Je mehr Demos es gab, desto öfter versuchten Akteure der Querdenken-Bewegung, die gesellschaftliche Mitte für ihre extremistischen Weltbilder zu gewinnen“, sagte Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) am Freitag bei der Vorstellung des Jahresberichts. 2021 gab es in Nordrhein-Westfalen rund 2000 Demonstrationen und Kundgebungen mit Corona-Bezug, an denen etwa 150.000 Personen teilnahmen. Die Zahlen zeigen, über welches Potenzial die Bewegung verfügt, in der zunehmend Extremisten den Ton angeben. Und es geht weiter. Am 17. Januar 2022 beteiligten sich bundesweit sogar fast 280.000 Menschen an den „Montagsspaziergängen“, wie das Spektrum die unangemeldeten Aufläufe am Wochenbeginn nennt.

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Angesichts der Radikalisierung im Milieu der Coronaleugner hatten die Behörden des Verfassungsschutzes in Bund und Ländern im April 2021 vereinbart, das Spektrum als „Sammelbeobachtungsobjekt“ unter die Lupe zu nehmen. Trotz vieler Bezüge zu Rechtsextremisten und Reichsbürgern sieht der Nachrichtendienst einen eigenständigen Extremismus der „Delegitimierer“. Und sie suchen sich weitere Themen.

Lautsprecherwagen verbreitete Falschmeldungen im Flutgebiet

Nach dem Hochwasser im Juli 2021 im Ahrtal fuhren Coronaleugner mit einem Lautsprecherwagen, der einem Polizeifahrzeug ähnelte, durch das Katastrophengebiet und verbreiteten die Falschmeldung, Einsatzkräfte seien reduziert worden. Coronaleugner hetzten zudem gleich am ersten Tag des Krieges in der Ukraine gegen die Nato.

In einem Telegram-Kanal der Corona Rebellen Düsseldorf wurde das Bündnis „bösartiger Tumor“ genannt und behauptet, „Russland war geduldig genug“. Der Verfassungsschutz NRW prophezeit, Russlands Angriff auf die Ukraine sei für die Szene ein „Agitationsfeld“, auf dem sich „nahtlos an die Widerstandserzählungen der Pandemie anknüpfen lässt“.

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