Politik: Voscherau soll’s richten
Hamburgs SPD hofft auf ihn als Retter – aber der populäre frühere Bürgermeister stellt Bedingungen
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Noch ziert er sich. Will seine Familie erst befragen. Und er stellt Bedingungen. Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Henning Voscherau zögert und zaudert vor einem Polit-Comeback, das seine Partei, die SPD, in ihrer schweren Krise für ihn vorgesehen hat. Doch das Drehbuch, bei dem Voscherau für die anstehenden Bürgerschaftswahlen im kommenden Jahr die Rolle des Retters der Hamburger Sozialdemokratie zufällt, scheint dem als eitel beschriebenen 65-Jährigen durchaus zu gefallen.
Eine Entscheidung der hanseatischen SPD steht zwar noch aus. Doch nach der monatelangen Selbstzerfleischung um den eigentlich gesetzten Spitzenkandidaten, Landeschef Mathias Petersen, 950 verschwundenen Stimmzetteln bei einer parteiinternen Abstimmung zwischen Petersen und seiner Stellvertreterin Dorothee Stapelfeldt, und dann dem geschlossenen Rücktritt des Landesvorstandes kristallisiert sich immer deutlicher die Marschrichtung heraus: Eine bereits auf das Altenteil verabschiedete Galionsfigur der Partei, Henning Voscherau, soll den Karren aus dem Sumpf ziehen.
In den größten SPD-Chaostagen aller Zeiten weilte der Notar im Urlaub. Erst Ende vergangener Woche tauchte Voscherau wieder auf und nahm seinen Platz in der so genannten Findungskommission ein. Sieben Kreisvorsitzende und die bisherige Doppelspitze, Landeschef Petersen und Stellvertreterin Stapelfeldt, halten von dort Ausschau nach einem prominenten Kandidaten. Letztere kommen nicht mehr in Frage, Bürgermeister Ole von Beust (CDU) bei den Wahlen 2008 die Stirn zu bieten. Nicht zuletzt auf Druck der Bundesparteispitze zogen sie sich zurück.
Die Signale aus der Landespartei sind deutlich. Inka Damerau, Vorsitzende im Kreisverband Nord, betont, dass jetzt nur ein einstimmiger Konsens der Findungskommission Tragkraft besitzen könne und nicht etwa eine 7:2- oder 6:3-Entscheidung. Damit liegt sie auf einer Linie mit dem den Parteirechten zuzuordnenden Voscherau, der sich bereits 2006 für die Herausfordererposition gegen Ole von Beust angeboten hatte, der vor einem Jahr aber in den eigenen Funktionärskreisen und an der Basis nicht vermittelbar war. Diese Hürde soll jetzt keine mehr sein. In der Not, eine schnelle Lösung bis spätestens zum angesetzten Landesparteitag am 24. März zu finden, zählt anderes.
Voscherau weiß um seine starke Position und will auch bei der künftigen Besetzung des Landesvorstandes ein Wörtchen mitreden. Von dort erwartet er eine bedingungslose Rückendeckung, damit ihm keine Demontage in der Art widerfahren kann, wie sie der bisherige Landeschef Petersen zu spüren bekam, wodurch die aktuelle Krise ihren Anfang nahm. Alle Beteiligten wissen: Gibt Voscherau den Genossen einen Korb, würde das SPD-Desaster zu einer „never ending story“.
Für den Landesvorsitz hat sich der von allen Parteilagern als neutral geschätzte Wirtschaftsexperte Ingo Egloff (stellvertretender Fraktionssprecher in der Bürgerschaft) empfohlen („wenn man mich bittet“), doch es ist nicht bekannt, ob er auch Voscheraus Gnaden finden würde. Unterdessen hat der bisherige Landesgeschäftsführer Walter Zuckerer seinen Rücktritt angeboten. Auch für das von ihm ausgeübte Amt will er einem Neuanfang nicht im Wege stehen.
Voscherau war von 1988 bis 1997 Bürgermeister in Hamburg, gewann für die Sozialdemokraten an der Elbe 1997 das letzte Mal die Wahlen, wollte aber seinerzeit mit der Statt-Partei koalieren und partout kein Regierungsbündnis mit den GAL-Grünen eingehen. Für diesen Weg fand er keine Mehrheit in den eigenen Reihen und dankte daraufhin ab.
Dieter Hanisch[Hamburg]
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