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Politik: Wachschutz oder Umweg

Deutsche Reeder fordern mehr Hilfe gegen die Piraten vor Somalia – doch die Politik zögert

An Bord des von Piraten gekaperten deutschen Frachters „Beluga Nomination“ sind bei dem missglückten Befreiungsversuch in der vergangenen Woche drei Besatzungsmitglieder ums Leben gekommen. Zwei Seeleute wurden von den Piraten exekutiert, berichtete der Bremer „Weser-Kurier“. Die Reederei bestätigte das am Freitagabend, ferner sei der Leitende Ingenieur ertrunken, nachdem er auf der Flucht vor den Piraten über Bord gesprungen war.

Angaben zum Alter oder zur Nationalität der drei Toten wollte die Beluga Shipping nicht machen. Den sieben noch an Bord verblieben Besatzungsmitgliedern gehe es den Umständen entsprechend. „Wir sind erschüttert, betroffen und entsetzt über die Vorfälle. Die Brutalität und Grausamkeit der Entführer ist schier unfassbar und wir trauern gemeinsam mit den Angehörigen und der Familien der drei Opfer“, teilte die Reederei mit. Sie hält regelmäßigen telefonischen Kontakt mit der Besatzung. Noch immer gebe es keine konkrete Lösegeldforderung der somalischen Piraten, die das Schiff im Indischen Ozean seit rund zwei Wochen in ihrer Gewalt halten.

Noch 2008 lautete die Devise des Bremer Reeders Niels Stolberg für den Umgang mit Piratenüberfällen: „Keine Waffen, keine Gegenwehr, ruhig bleiben, hands up!“ Damals hatten somalische Seeräuber erstmals einen Frachter seiner Reederei „Beluga Shipping“ entführt. Stolbergs oberstes Ziel: die Besatzung retten. Das schaffte er damals, indem er 1,1 Millionen Dollar Lösegeld zahlte. Inzwischen ist bereits zum dritten Mal ein Beluga-Schiff gekapert worden. Auch Stolberg fordert jetzt wie andere Reeder: Auf gefährdeten Schiffen sollten bewaffnete Sicherheitskräfte mitfahren. Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat dafür eine konkrete Idee: An drei Eckpunkten der Piratenregion sollten Schiffe mit Sicherheitskräften ankern. Frachter könnten hier Soldaten oder Bundespolizisten aufgabeln und sie an der Ausgangsstation wieder absetzen – ähnlich wie bei Lotsen.

Doch die Bundesregierung hat verfassungsrechtliche und faktische Bedenken: Die Bundeswehr, die sich mit einer Fregatte an der europäischen Anti-Piraten- Mission Atalanta beteiligt, darf nur im Atalanta-Mandatsgebiet aktiv werden und nur dann an Bord von Handelsschiffen gehen, wenn der EU-Seebefehlshaber – derzeit ein Spanier – das erlaubt, heißt es im Verteidigungsministerium.

Bliebe noch die Bundespolizei. Die dürfte allerdings nur Schiffe unter deutscher Flagge schützen – eine Minderheit. Vor allem aber scheut Berlin offenbar den Personalaufwand. Täglich passieren etwa sechs Schiffe deutscher Reeder das Piratengebiet, heißt es im Wirtschaftsministerium. Pro Frachter müssten bis zu zwölf Soldaten oder Polizisten für etliche Tage an Bord gehen. Das sei nicht zu leisten. Also private Wachleute anheuern? Manche Reeder tun das inzwischen, aber ihr Verband warnt: Sicherheit „darf nicht privatisiert werden“. Doch Seemannsmission und Gewerkschafter fürchten auch eine Spirale der Gewalt. Hans-Joachim Otto (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, fände es gut, wenn die besonders gefährdeten Frachter einen Umweg um Südafrika nähmen. Die ersten Beluga-Frachter fahren inzwischen tatsächlich ums Kap der Guten Hoffnung, aber Stolberg wendet dagegen ein, dass dies pro Schiff Hunderttausende Euro koste.

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