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Politik: Was macht die Kirche mit ihrem Geld ?

Bisher taten sich die Bistümer schwer mit der Transparenz. Doch die Aufregung um den Limburger Tebartz-van Elst hat auch die anderen katholischen Bischöfe aufgescheucht. Immer mehr geben Auskünfte über ihr Vermögen. Besonders vorbildlich hierbei ist Essen – ein Report.

Jedes Haben ist ein Soll, schreibt Monsignore Klaus Pfeffer. Er ist der Generalvikar und somit der Verwaltungschef des Bistums Essen und möchte gleich im Vorwort zum Haushaltsbericht 2012 klarstellen, dass die Kirche Geld nicht als Selbstzweck versteht, sondern als Mittel, um Gutes zu tun. Trotzdem fällt es den 27 katholischen Bistümern schwer, ihre Pfründe offenzulegen. Sie sind gesetzlich gezwungen, die sogenannten Bistumshaushalte in den Amtsblättern der Kommunen zu veröffentlichen. Denn in diese Haushalte fließen Kirchensteuern und staatliche Zuwendungen. Sie machen zusammen den größten Teil der Einnahmen aus.

Neben den Bistumshaushalten gibt es auf der Bistumsebene aber mindestens noch zwei weitere Körperschaften des öffentlichen Rechts mit je eigenem Haushalt und Vermögen: der Bischöfliche Stuhl und das Domkapitel. In Limburg kommt der sogenannte Vermögenshaushalt hinzu, in Trier sind es fünf Vermögensträger. Auch die 11 222 katholischen Pfarreien sind juristisch eigenständig und haben ihre eigenen Haushalte und Vermögen. Addiert man dazu noch die schätzungsweise 22 000 katholischen Stiftungen, kommt man auf knapp 35 000 katholische Vermögensträger in Deutschland. Kein Wunder, dass da mancher Generalvikar den Überblick verloren hat und von „blumenkohlartigem Gewucher“ spricht.

Die Bischöfe und Generalvikare sahen bislang auch keine Notwendigkeit für einen großen Kassensturz. Aufgescheucht durch die Limburger Debatte gaben in den vergangenen Tagen immer mehr Bischöfe Erklärungen über die Vermögen des Bischöflichen Stuhls ab. Doch das ist erst der Anfang. Das Bistum Essen geht gegenüber dem Tagesspiegel einen Schritt weiter und gibt nicht nur Auskunft über den Bistumshaushalt und den Bischöflichen Stuhl, sondern auch über das Domkapitel. Kommende Woche will das Erzbistum Hamburg alle seine Haushalte und Vermögen ins Internet stellen.

Dass Essen und Hamburg auskunftsfreudiger sind als viele andere Bistümer, liegt auch daran, dass sie schon vor der Limburger Krise mit Vermögenswerten ein bisschen transparenter umgegangen sind. Anders als die anderen sind Essen und Hamburg von der kameralistischen auf die moderne, handelsrechtliche Buchführung umgestiegen. In der Kameralistik werden lediglich Einnahmen und Ausgaben gegenübergestellt, Vermögen tauchen nur als daraus resultierende Kapitalerträge auf. Die handelsrechtliche Bilanz weist auch die Vermögenswerte aus.

Die Offenheit des Essener Bischofs und Domkapitels hängt sicher auch damit zusammen, dass Essen ein relativ armes Bistum ist. Es wurde erst 1958 gegründet; für große Vermächtnisse von Feudalherren und adeligen Familien war es da zu spät. Heute gibt es immer weniger Kirchenmitglieder, die Kirchensteuereinnahmen sinken langfristig. Da sieht es in den Kassen auch nicht üppig aus.

Essen gehört mit seinen 844 000 Katholiken und 43 Großpfarreien zu den mittelgroßen deutschen Bistümern. Köln ist mit 2,1 Millionen Katholiken die größte Diözese in Deutschland und eine der reichsten weltweit. Der Bistumshaushalt in Essen hatte 2012 ein Volumen von 260 Millionen Euro. 187 Millionen (davon bleiben nach Abzug der Gebühr für den staatlichen Einzug und des Finanzausgleichs der Bistümer 160 Millionen) davon sind Kirchensteuereinnahmen. Der zweitgrößte Einnahmeposten sind 49 Millionen Euro an staatlichen Zuwendungen für Schulen, Kindergärten, Religionsunterricht, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen; weitere 24 Millionen Euro wurden gespendet oder kamen über Mieteinnahmen herein.

Den 260 Millionen Euro stehen 246 Millionen Euro an Ausgaben gegenüber. 40 Prozent gingen in die Gehälter für die 900 Angestellten, darunter 380 Priester, weitere 30 Prozent flossen in die Ausstattung von Kirchengemeinden, in Kitas, Schulen und karitative Einrichtungen. Von dem Geld wurden außerdem Pfarrer ausgebildet und Seelsorger in Gefängnisse und Krankenhäuser geschickt.

Als Rücklagen verfügt das Bistum über ein Vermögen von 265 Millionen Euro. 124 Millionen Euro stecken in Schulen und Bildungshäusern. Die „Wolfsburg“ im Mühlheimer Villenviertel, in der die katholische Akademie residiert, ist allerdings eines von wenigen echten Schmuckstücken. 50 Millionen Euro sind in Wertpapieren, Aktienpaketen, im Kirchenzeitungsverlag und in der Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft angelegt.

Die Wohnungsbaugesellschaft gehört den Bistümern Köln, Aachen, Münster, Paderborn, Trier und Essen und verfügt über 11 000 Wohnungen. Immobilienexperten gehen von einem Gesamtwert von mehr als 700 Millionen Euro aus. Das Bistum Essen hält 9,4 Prozent der Anteile. In der Bilanz sind aber keine 70 Millionen Euro angesetzt, wie es den knapp zehn Prozent entspräche, sondern nur 15 Millionen. Das Handelsrecht gebe vor, dass man in der Bilanz den Anschaffungswert angibt, sagt ein Bistumssprecher. Und der habe 15 Millionen Euro betragen. Außerdem sei es nicht einfach, die Anteile loszuwerden. Eine Klausel schreibt vor, dass man sie nur an die anderen fünf Bistümer verkaufen darf. Als die Essener vor sieben Jahren massive finanzielle Probleme hatten, sollen die Bischofskollegen nicht mehr als die 15 Millionen Euro angeboten haben. Man hat dann lieber Kredite aufgenommen, als die Wohnungen unter Marktwert zu verschleudern.

Einen vergleichsweise kleinen Posten im Bistumsvermögen machen die 3,3 Millionen Euro aus Erbschaften aus. Sie müssen für soziale Aufgaben und den „Wohnungsbau katholischer Familien“ verwendet werden. So wollten es die Stifter.

Dem Vermögen stehen Schulden von 36 Millionen Euro gegenüber. 95 Millionen Euro sind reserviert für die Pensionen der Mitarbeiter.

Die zweite Kasse auf Bistumsebene ist der Bischöfliche Stuhl mit 2,2 Millionen Euro. Der Bischof könne aber nur über knapp ein Zehntel verfügen, heißt es. Zwei Millionen stammen aus Vermächtnissen und sind für die Ausbildung von Geistlichen bestimmt.

Die dritte Kasse gehört dem Domkapitel. Bei älteren Bistümern dürften sich in dieser Schatulle beträchtliche Vermögen angesammelt haben. In Köln ist der Haushalt des Domkapitels offenbar so groß, dass selbst der zuständige Dompropst Norbert Feldhoff, ein erfahrener Finanzfachmann, den Überblick verloren hat und keine Schätzung vorzunehmen wagt. In Essen umfasst der Domkapitel-Haushalt 2,03 Millionen Euro. Sie speisen sich aus einem Teil der 1,7 Millionen Euro Staatsleistungen, von denen unter anderem die Gehälter des Bischofs und der Domkapitulare bezahlt werden. Auch die Eintrittsgelder aus der Domschatzkammer landen hier und Mieteinnahmen aus zwei Geschäftshäusern in der Essener Innenstadt.

Dass sich die Bistümer schwer tun mit der finanziellen Transparenz, hat nicht überall mit Reichtum zu tun, sondern manchmal auch mit dem Gegenteil. Den 2,03 Millionen Euro Einnahmen im Essener Domkapitel standen vergangenes Jahr 2,1 Millionen Euro Ausgaben gegenüber – was man nicht unbedingt an die große Glocke hängen will.

Essens Bischof Franz-Josef Overbeck stammt aus einer Bauernfamilie, die seit 1895 „Overbecks Korn“ brennt. Doch daran ist das Bistum nicht beteiligt, auch nicht an einer Klosterbrauerei. Es gibt auch keine Weingüter wie in Trier.

Die Transparenzoffensive von Bischof Overbeck ist hoffentlich noch nicht zu Ende. Denn so richtig und schwarz auf weiß will man das Vermögen des Domkapitels noch nicht rausgeben. Und so richtig lassen sich die Haushalte der verschiedenen Vermögensträger auch nicht vergleichen. Nur das Bistum rechnet nach Handelsrecht ab, das Domkapitel, der Bischöfliche Stuhl und die Pfarreien bilanzieren nach der alten Kameralistik. Befriedigend ist das nicht. Ob sich das bald ändert, weiß man nicht. Andere Bistümer sind ohnehin noch viel zurückhaltender. Bei einem Treffen vor zehn Tagen waren sich die Generalvikare längst nicht einig, wie viel Transparenz man zulassen soll, Limburg hin oder her.

Selbst wenn man wollte, würde das wohl nicht von einem Tag auf den anderen gehen. Das liegt an der großen Zersplitterung der katholischen Vermögenslandschaft. So gehört zum Beispiel zum Erzbistum München und Freising 5000 Hektar Land – mit 850 unterschiedlichen Rechtsträgern. Die Zersplitterung hat historische Gründe, sagt Staatskirchenrechtler Ansgar Hense von der Universität Bonn. Die Kirche versuchte so, ihr Vermögen vor gierigen Fürsten zu verstecken. Man hatte seit der Reformation schon mehrmals erlebt, wie schnell es mit der Enteignung von Kirchenvermögen gehen kann.

Die größte Enteignung fand 1803 mit dem Reichsdeputationshauptschluss statt. Napoleon hatte die linksrheinischen Gebiete besetzt, die dortigen Landesfürsten mussten ihre Besitztümer abtreten. Um sie zu entschädigen, bediente man sich kurzerhand bei den Kirchen. Die Enteignungen verliefen regional sehr unterschiedlich, und den Kirchen ging auch längst nicht alles verloren. Aber für viele Pfarrer war es schwerer geworden, sich zu ernähren, viele Äcker waren eben doch weg. Da die Landesherren wollten, dass das religiöse Leben weitergeht, bezahlten sie die Pfarrer und reparierten die Kirchendächer. Daraus resultieren Verpflichtungen des Staates, die bis ins heutige Grundgesetz und in die Staats-Kirchen-Verträge der Länder übernommen wurden. Die Bundesländer zahlen sogenannte Staatsleistungen an die Kirchen, 2013 waren es 419 Millionen Euro für beide Amtskirchen. In den Haushalten der Bistümer und Landeskirchen machen die Beträge nur einen geringen Anteil aus und fließen in die Gehälter von Bischöfen, leitenden Geistlichen und Pfarrern ein.

Aus dieser historischen Situation heraus sind die Kirchen und der Staat in Deutschland so eng miteinander verflochten wie nirgendwo sonst auf der Welt. Als man sich gegenseitig noch vertraute, sahen darin allenfalls ein paar versprengte Politiker der FDP und der Linken ein Problem. Doch die katholische Kirche hat massiv an Glaubwürdigkeit eingebüßt, besonders nachdem bekannt wurde, wie viele Priester sich an Jugendlichen vergriffen haben. Nun fragen sich immer mehr Menschen auch innerhalb der Kirche, ob die Nähe zum Staat noch guttut. Da hilft nur eine ehrliche Debatte mit offenen Karten und so vielen Fakten wie möglich.

Claudia Keller

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