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Cristina Kirchner ist in der argentinischen Politik eine feste Größe.

© AFP / AFP/Luis Robayo

Wegen Korruption: Argentinische Vizepräsidentin verurteilt

Cristina Kirchner kann noch in Berufung gehen.

Die umstrittene argentinische Vizepräsidentin Cristina Kirchner ist in einem Korruptionsprozess zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Wegen der Veruntreuung öffentlicher Mittel sperrte das Gericht die 69-Jährige am Dienstag zudem lebenslang für die Ausübung öffentlicher Ämter.

Allerdings kann die Ex-Präsidentin (2007-2015) gegen das erstinstanzliche Urteil noch Berufung einlegen. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil könnten noch Jahre vergehen. Deshalb bleibt Kirchner zunächst auf freiem Fuß und könnte wohl auch bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr wieder antreten, was sie nach dem Urteil allerdings ausschloss.

Es ist das erste Mal in der Geschichte Argentiniens, dass eine amtierende Vizepräsidentin verurteilt wurde. Gegen Kirchner wird auch noch in anderen Fällen wegen Geldwäsche und Korruption ermittelt.

Nach der Verkündung des Rechtsspruchs gingen Kirchners Anhänger vor dem Gerichtsgebäude in Buenos Aires auf die Straße. Sie skandierten „Cristina Präsidentin“, warfen Absperrgitter um und zeigten Transparente mit Parolen wie „Wir sind alle Cristina“, „Raus mit den Richtern“ und „Freiheit für die politischen Gefangenen“.

Öffentliche Aufträge ohne Ausschreibung

Kirchner und ihr inzwischen gestorbener Ehemann, Ex-Präsident Néstor Kirchner, im Amt von 2003 bis 2007, sollen während ihrer Amtszeiten als Staatschefs einem befreundeten Bauunternehmer ohne Ausschreibung öffentliche Aufträge zugeschanzt haben.

Ein Teil der überhöht ausgewiesenen Baukosten floss nach Erkenntnissen der Anklage später an das Ehepaar zurück. Die heutige Vizepräsidentin soll den Staat so um rund eine Milliarde US-Dollar gebracht haben.

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Milliarde US-Dollar soll die Korruption den argentinischen Staat gekostet haben.

Kirchner wies die Anschuldigungen zurück und warf der Justiz vor, aus politischen Motiven gegen sie zu ermitteln. „Das ist ein paralleler Staatsapparat und eine Juristen-Mafia“, sagte Kirchner nach der Urteilsverkündung. „Die wirkliche Strafe ist das Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter - alle meine Ämter habe ich durch Wählerstimmen gewonnen. Deshalb bestrafen sich mich. Gut - dann werde ich eben nicht Kandidatin sein.“

Argentiniens Präsident Alberto Fernández sprang seiner Stellvertreterin einmal mehr zur Seite. Seine linke Regierung bezeichnete die Ermittlungen gegen Kirchner von Anfang an als „Lawfare“, einen Krieg mit juristischen Mitteln. „Heute wurde in Argentinien eine unschuldige Person verurteilt“, schrieb der Staatschef auf Twitter.

„Das ist das Ergebnis eines Prozesses, der nicht einmal die Mindestanforderungen an ein ordentliches Verfahren erfüllt. Ich solidarisiere mich mit Cristina Kirchner, die Opfer einer ungerechtfertigten Verfolgung ist.“ Weiter schrieb er: „Alle Männer und Frauen, die die Demokratie und den Rechtsstaat lieben, sollten ihr zur Seite stehen.“

Sie dominiert die Straße

Kirchner steht für den linken Flügel der derzeitigen Regierungskoalition und gilt als eigentliche Strippenzieherin in Buenos Aires. Immer wieder drückt sie der Regierung ihren Willen auf. Ihre Anhänger aus oft einfachen Verhältnissen sehen Kirchner als Garantin für üppige Sozialprogramme. Über soziale Bewegungen, Gewerkschaften und Parteigruppen wie die ihr treu ergebene Jugendorganisation La Cámpora dominiert die charismatische Politikerin die Straße.

Kaum eine andere Politikerin in Argentinien polarisiert so stark wie Kirchner: So innig sie von ihren Anhängern geliebt wird, so leidenschaftlich wird sie von ihren Gegnern gehasst. Die politische Landschaft Argentiniens ist stark polarisiert, die „grieta“ (Riss) zwischen rechts und links zieht sich durch die ganze Gesellschaft.

Nachdem die Staatsanwaltschaft zwölf Jahre Haft gegen Kirchner gefordert hatte, kampierten Ende August Hunderte ihrer Anhänger tagelang vor ihrer Wohnung im eleganten Stadtteil Recoleta. Am 1. September entging sie einem versuchten Anschlag, als ein Mann aus kurzer Entfernung eine Waffe auf sie richtete, die allerdings Ladehemmungen hatte. (dpa)

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