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Politik: Wer Äpfel mit Politik vergleicht

SPD-Chef Beck erläutert seine Farbenlehre – und der Vorstand verabschiedet neues Grundsatzprogramm

Von Hans Monath

Für den Stellenwert der SPD im politischen Wettbewerb in Deutschland, wie er ihn sieht, hat Parteichef Kurt Beck am Wochenende auf dem Bremer Markplatz ein vitaminreiches Bild gefunden. Am Rande der zweitägigen SPD-Vorstandsklausur erstand Beck dort gemeinsam mit dem Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen einige Äpfel und verteilte sie an Passanten. Am Abend erläuterte er dann in einer Veranstaltung der Landespartei, welche Sorten bekömmlich seien: Die grünen Früchte seien unreif und verursachten Magenschmerzen, die schwarzen taugten gar nichts, die gelben seien mehlig und wüssten noch gar nicht, „was sie werden wollen“.

Klar, dass nach Becks Ansicht nur die roten Äpfel empfehlenswert sind. Die Landtagswahlen in wenigen Wochen waren der Grund, warum der SPD-Vorstand zum Jahresauftakt in Bremen tagte und versuchte, sich vor allem mit Vorschlägen zur Arbeitsmarkt- und Familienpolitik inhaltlich zu profilieren. Der Bremer Beschluss über ein neues SPD-Grundsatzprogramm dürfte dagegen vor allem für das Selbstverständnis der Partei wichtig sein. auffällig war auch, dass sich die Sozialdemokraten vor allem im aktuellen Streit um die Gesundheitsreform als die eigentlich vertragstreuen Koalitionspartner präsentierten und keine Gelegenheit ausließen, die CSU an die gemeinsamen Beschlüsse zu erinnern.

„Da weiß ich als Bremer Bürgermeister, wovon ich spreche“, sagte Jens Böhrnsen am Sonntag bei der Vorstellung des neuen Familienpapiers in Anspielung auf den Tod des Bremer Jungen Kevin, der nach Misshandlungen durch seinen Vater gestorben war. Der Fall hatte im Herbst die Debatte über den Schutz vernachlässigter und gefährdeter Kinder ausgelöst und die Aufmerksamkeit auf die familienpolitischen Anstrengungen der Parteien gerichtet. Die SPD bekannte sich in Bremen wieder dazu, dass sie künftig öffentliche Betreuung für wichtiger hält als individuelle Transfers. Sie will Kinder früher fördern, einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplätze einführen und gefährdete Kinder durch verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen schützen.

Bereits am Samstag hatte die SPD in einer „Bremer Erklärung“ Vorschläge zur Neuordnung des Niedriglohnbereichs vorgelegt. Danach sollen Geringverdiener mit einer über 30 Wochenstunden liegenden Beschäftigung ein Existenz sicherndes Einkommen erzielen können, das über dem Niveau des Arbeitslosengeldes II liegt. Ihre Sozialversicherungsbeiträge sollen durch einen „Bonus für Arbeit“ (Steuer-Gutschrift) gezielt gesenkt werden. Wie Mitnahmeeffekte von Unternehmen verhindert werden können, bleibt vorerst offen. Auch scheint die Debatte innerhalb der Parteiführung noch nicht abgeschlossen. Konkrete Vorschläge soll erst eine Arbeitsgruppe entwickeln.

Deutlich wurde in Bremen allerdings wieder, dass die SPD-Flügel trotz teilweise stundenlanger Auseinandersetzungen hinter verschlossenen Türen nach außen im Vergleich zu früheren Zeiten sehr geschlossen auftreten. „Das war nicht immer eine Selbstverständlichkeit“, lobte Parteichef Beck zum Abschluss.

Beck nutzte nicht nur den Neujahrsempfang der Landes-SPD am Samstag zu Angriffen auf die Vertreter der CSU. Dort pries er Bremens Bürgermeister Böhrnsen als positives Gegenbild zu CSU-Chef Edmund Stoiber, dem er vorwarf, die deutsche Politik in Unruhe zu versetzen: „Nicht die, die immer Lärm machen, erreichen am meisten“, sagte Beck. Auch zum Abschluss der Klausur bekräftigte der SPD-Politiker, dass seine Partei einstimmig zum Gesundheitskompromiss stehe. „Gehet hin und tuet des Gleichen“, rief er den Regierungspartnern von der Union zu.

Der SPD-Chef wies in Bremen auch die Behauptung zurück, mit seinem Hinweis auf die Belastungsgrenze habe er einem Reformstopp das Wort geredet. „Das Gegenteil ist richtig“, sagte er während der Veranstaltung der Landes-SPD. Aber der „Bogen der Belastungen“ sei äußerst stark angespannt, vor allem für diejenigen, die „in der Mitte der Gesellschaft die Belastungen tragen“. Die SPD wisse, „dass wir den Menschen schon viel zugemutet haben“. Nach Angaben aus Parteikreisen gehören in Becks Konzeption das Werben um die Mittelschichten und die neue Aufmerksamkeit für die Menschen am Rande der Gesellschaft zusammen.

Der vom Vorstand verabschiedete „Bremer Entwurf“ soll als neues Grundsatzprogramm das „Berliner Programm“ aus dem Jahr 1990 ablösen. Beschließen soll es der Parteitag in Hamburg im Herbst. Parteichef Beck ist sich jetzt schon sicher, dass die SPD damit ein „Meilenstein in der inhaltlichen Positionierung der Parteien in Deutschland insgesamt“ gelungen ist.

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