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Tino Lang von der Werbeagentur zebra group in Chemnitz.

© promo

Tagesspiegel Plus

Werbeexperte über Identitäten: „Die jüngeren Leute wollen ostdeutsch, aber nicht Ossi sein“

Die Menschen zwischen Ostsee und Erzgebirge haben eine harte, aber dünne Schale, sagt der Chemnitzer Werbeexperte Tino Lang. Das neue Ost-Bewusstsein präge alle Generationen.

Stand:

Herr Lang, warum hat sich 35 Jahre nach der Wiedervereinigung das Ostdeutsche nicht verwachsen, auch nicht in der jüngeren Generation?
Es verwächst nicht, weil in den Ostdeutschen ein anderes kollektives Gedächtnis wirkt, in dem Erfahrungen, Traumata und Muster gespeichert sind. Dieses Gedächtnis wird noch Generationen prägen, weil es massiver wirkt, als wir uns das vorstellen können. Für mich ist das wie ein Dialekt, der verwächst sich auch nicht. Im Gegenteil, diese Vielfalt ist gewollt und zu akzeptieren. Ich frag mich ja auch nicht, wann meine Frau endlich wie ich sein wird – jetzt da wir schon 26 Jahre zusammen sind. Die Idee, dass sich was verwachsen muss, ist das Problem.

Basiert die Einheit auf falschen Erwartungen?
Ich bezeichne deshalb den Mauerfall als Mauerfalle. Alle hatten gehofft, dass die deutsche Einheit der heile Urzustand ist, durch den alles wieder gut wird. Wenn aber aus einer Wiedervereinigung eine Vorzeige-Ehe werden soll, in der alle einig sein sollen und in der trotz jahrelangem Macht- und Wohlstandsgefälle eine Gleichberechtigung simuliert wird, dann wird man von der Realität oder von den Wählern geweckt. Denn sowas funktioniert nur durch Anpassung bis zur Selbstaufgabe, für die alle sogar lange bereit waren. Das lässt nun nach und daraus entwickelt sich ganz natürlich ein ostdeutsches Selbstbewusstsein, das sich mal als Ost-Stolz und mal als Ost-Trotz zeigt.

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