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Politik: Werben um die Taliban

Afghanistanexperten warnen vor einer Aufwertung der Extremisten und fordern lokale Verhandlungen

Berlin - Der Bonner Petersberg ist zum Symbol für den Neuanfang in Afghanistan geworden. Ende 2001 fand hier die erste Friedenskonferenz nach dem Sturz der Taliban statt. Am Verhandlungstisch saßen damals viele Kommandeure der siegreichen Nordallianz – einer trug sogar noch seinen olivgrünen Tarnanorak. Wer sich daran erinnert, der mag auch Gespräche mit den Taliban für möglich halten. 2001 wurde allerdings bereits kritisiert, dass die Falschen eingeladen waren, um über den Aufbau eines demokratischen Afghanistan zu beraten. Eine Alternative gab es aber kaum: Die Gruppen, die die Taliban niedergekämpft hatten, mussten an der Macht beteiligt werden, um neue Auseinandersetzungen zu verhindern. Schließlich hatten sich zuvor immer wieder wechselnde Koalitionen zusammengefunden, um die herrschenden Kräfte in Kabul zu bekämpfen. Selbst ärgste Feinde waren dabei mitunter zu Verbündeten geworden.

Eine Einbindung der Taliban, wie sie SPD-Chef Kurt Beck ins Gespräch gebracht hat, erscheint vor diesem Hintergrund logisch. Citha Maaß, Afghanistanexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik, hält den Vorstoß jedoch für verfrüht. „Eine internationale Aufwertung der Taliban zum jetzigen Zeitpunkt käme einer Bankrotterklärung der Nato gleich“, sagte sie dem Tagesspiegel. Erst wenn die laufende Offensive gegen die Aufständischen im Süden nicht zu einer deutlichen Schwächung der Islamisten führe, könne man über weitere Schritte nachdenken. „Grundsätzlich ist es richtig, wenn über militärische Ansätze hinaus auch politische Lösungen gesucht werden“, so Maaß weiter. „Doch dies muss von der afghanischen Regierung ausgehen.“ Tatsächlich versucht Präsident Hamid Karsai seit zwei Jahren, moderate Kräfte unter den Taliban zur Kooperation mit Kabul zu bewegen – bisher ohne großen Erfolg.

Afghanistankenner halten lokale Initiativen dennoch für erfolgversprechender als eine weitere internationale Friedenskonferenz. „Es wäre wichtig, in Afghanistan einen Ansatz von unten nach oben zu verfolgen – also mit den Leuten vor Ort sprechen, und von Fall zu Fall sehen, mit wem man verhandeln kann“, sagte Winfried Nachtwei, Afghanistanexperte der Grünen, dem Tagesspiegel. In jedem Fall sei es richtig, bei den oppositionellen Kräften zu differenzieren und nicht alle Söldner als Taliban zu pauschalisieren.

Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), der Becks Vorschlag für wenig durchdacht hält. „Es geht im Augenblick nicht darum, ein Konzept für das ganze Land zu suchen, wofür eine internationale Konferenz notwendig wäre. Dieses Konzept haben wir. Man muss sich vor Ort mit konkreten, kleinteiligen Projekten beschäftigen. Den Taliban mit ihrer totalitären Weltsicht auf einer großen Konferenz eine Plattform zu geben, wäre darüber hinaus völlig indiskutabel. Natürlich muss man sehen, ob mit einzelnen Personen vor Ort verhandelt werden kann. Aber das muss in Absprache mit der Regierung in Kabul geschehen.“

In einigen Regionen Afghanistans haben Stammesfürsten und religiöse Führer bereits Abmachungen mit lokalen Taliban ausgehandelt, die zumindest zeitweise zu einer Stabilisierung der Lage geführt haben. Für Citha Maaß ein Modell mit Zukunft: „Wenn solche Abkommen ausgeweitet werden, brauchen wir keine internationale Konferenz.“

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