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Politik: „Werbung für Babyklappen gesetzwidrig“

Kritiker verlangen Stopp der Berliner Aktion

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Berlin - Die Berliner Werbeaktion für Babyklappen stößt bundesweit auf Kritik. Die Sozialwissenschaftlerin Christine Swientek aus Hannover befürchtet, dass die Zahl von Findelkindern damit weiter steigt. Auch der Berliner Familienrechtler Alfred Wolf kritisiert die Aktion. Er sieht darin einen Aufruf zu Straftaten. „Sein Kind in einer Babyklappe auszusetzen, verstößt gegen eine ganze Reihe von Gesetzen“, erklärte Wolf dem Tagesspiegel. Das zu bewerben sei ein „Verstoß gegen die öffentliche Ordnung“. In einem Brief an Senator Jürgen Zöllner hat der Jurist die Behörde aufgefordert, die Aktion der Bündnisgrünen zu beenden.

Anlass für die Werbekampagne ist die Aussetzung eines Neugeborenen in Berlin im Januar. Der Junge wurde nachmittags an einer Bushaltestelle lebend aufgefunden. Die Bündnisgrünen vermuten, dass die Mutter die Babyklappe nicht gekannt habe. Mit ihrer Aktion wollen sie erreichen, dass „Babys nicht in die Tonne kommen“ – so der Plakatslogan.

Ob Babyklappen Kindestötungen verhindern können, ist aber seit Jahren umstritten. Die Kritiker zweifeln daran, dass Frauen, die in Stress- und Panikreaktionen ihr Neugeborenes töten, von den Angeboten erreicht werden. Sie fürchten, dass Frauen, die ebenso gut eine Beratung in Anspruch nehmen könnten, die Babyklappen nutzen. „Ohne Not werden Findelkinder produziert“, davon ist auch die Klappenkritikerin Christine Swientek überzeugt. Sie verweist darauf, dass weder die Zahl der Tötungsdelikte noch die der Aussetzungen gesunken sei. Gleichzeitig habe sich die Zahl der Findelkinder durch Babyklappen erhöht. Über die Fälle ist wenig bekannt. Es existieren auch keine offiziellen Angaben darüber, wie viele Kinder mittlerweile in Babyklappen gefunden wurden. Schätzungen gehen bundesweit von mehr als dreihundert Kindern aus.

Sorge bereitet Christine Swientek, dass sich Fälle häufen, in denen Neugeborene zu Tode kommen, obwohl deren Mütter die Babyklappe nutzen wollen. Im niedersächsischen Barsinghausen verhungerte ein Kind gleich nach der Geburt. Die 25-jährige Mutter gab an, dass sie das Kind am Tag danach in die Babyklappe bringen wollte, dann aber tot gefunden habe. In Moers sagte eine 20-jährige aus, dass sie vorgehabt habe, ihren Säugling in eine Babyklappe zu legen. Als sie den Tod des Mädchens bemerkte, legte sie die Leiche aus Angst auf einem Spielplatz ab. In Geseke legte eine Frau ihr Neugeborenes lebend ins Gefrierfach statt es in der Babyklappe abzugeben. Sie dachte, es sei tot.

„Im Vertrauen auf die Babyklappe, nahm die Frau keine Hilfe an“, bestätigt der Kölner Staatsanwalt Stephan Neuheuser. Selbst die Befürworter der Babyklappen nennen Fälle, die am Konzept der Einrichtungen zweifeln lassen. Im Berliner Krankenhaus Waldfriede wurde ein Junge „mehr tot als lebendig“ in der Babyklappe gefunden, berichtet Klinikpastorin Gabriele Stangl. Die Mutter habe allein entbunden, sei aber nach der Geburt zu schwach gewesen, um das Kind wegzubringen. Sie versteckte den Säugling im Kofferraum ihres Autos. Für Swientek sind das Belege dafür, dass Babyklappen keine Lösung seien.

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