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Politik: ...wir Falten werfen

Etwas untergegangen im vergangenen Jahr und auch danach ist der traurige Umstand, dass unserem Land langsam, aber sicher die Mütter ausgehen. Nicht die wirklichen, aber die der Nation.

Etwas untergegangen im vergangenen Jahr und auch danach ist der traurige Umstand, dass unserem Land langsam, aber sicher die Mütter ausgehen. Nicht die wirklichen, aber die der Nation. Inge Meysel? Gott hab sie selig. Und wer folgt ihr nach?

Mutter Beimer kommt nicht richtig hinter die Schürze. Uschi Glas will nicht, macht lieber mit irgend so einer PickelDiät auf jung. Außerdem ist ihre mütterliche Fachkompetenz durch ihren schlägernden Sohn etwas angekratzt. Hannelore Elsner oder Iris Berben könnten sich viele vorstellen. Für vieles. Nur nicht als Mütter. Bliebe Angela Merk…, ach nein, bliebe nicht.

Ein echtes Defizit tut sich da auf. Offensichtlich hat sich unter unserer reiferen Damenschaft noch nicht herumgesprochen, dass die Diktatur der Jugend vorbei ist. Ist es nicht so, dass alle der Berben nacheifern? Selbst Mutter Beimer. Ebenmäßigkeit ist das Ziel, Politur der Weg. Es kann kein Zufall sein, dass wir die faltenreiche Arbeit der Erziehung auch im Fernsehen einer SuperNanny übertragen. Gut, dass Inge Meysel das nicht mehr erleben musste, sie hätte die Stirne gerunzelt.

Wo ein Defizit ist, ist eine Lücke. Wo eine Lücke ist, ist eine Marktlücke. Denn Altern kann auch eine Chance sein. Und nun kommt Christine Kaufmann ins Spiel. Genau, Christine Kaufmann, Deutschlands ewig hinreißend schöne Antwort auf Hollywood. Gott, ja, sie ist dieser Tage auch schon 60 geworden. Da sich Scherze mit dem Namen verbieten, soll nicht darauf hingewiesen werden, dass Geschäftstüchtigkeit bei dem Namen Programm ist. Aber clever ist schon, dass sich Frau Kaufmann allen Anti-Aging-Konzepten verweigert. Clever und weitsichtig. „Nachdem sich alle Schauspielerinnen liften lassen“, sagte sie dieser Tage, „werde ich meine großen Triumphe mit 70 feiern“. Dann nämlich wird sie das Monopol auf Rollen für Frauen um die 70 haben. Sie wird die Maude sein in „Harold und Maude“. Sie wird Miss Marple verkörpern. Und das Leben von Mutter Teresa authentisch auf die Leinwand bringen. In „Acht Frauen“ dürfte sie die neunte sein und mit diesem Lebenswerk Jeanne Moreau beerben. Ein weites Feld, auf dem sie die juvenile Konkurrenz alt aussehen lassen wird.

Anderenorts ist Altern als Geschäftsidee schon etablierter. Das Gesicht der neuen Werbekampagne des Kosmetikherstellers Dove ist das Gesicht von Irene Sinclair. Madam Sinclair ist 96 Jahre alt. Sie ist wunderschön faltig. Und mütterlich zerfurcht. Sie lacht aus vollem Herzen. Nie hat sie sich liften lassen. Sich liften lassen lohnt sich nicht. uem

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