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Interview: "Wir haben kein schlagkräftiges Team"

Linken-Fraktionsvize Gesine Lötzsch über den Rückzug von Bartsch, Lafontaines Zukunft – und eigene Pläne.

Frau Lötzsch, ist die Linke noch zu retten?



Ja, natürlich. Die Linke ist eine ganz junge Partei, gerade mal zweieinhalb Jahre alt. Und wenn jetzt gerade bilanziert wird, wie viele Probleme es 20 Jahre nach der deutschen Einheit noch im Land gibt: Es wäre ja geradezu ein Wunder, wenn bei uns, so kurz nach der Vereinigung von PDS und WASG, schon alles perfekt wäre. Warten Sie mal ab, in zweieinhalb Jahren können wir ein gutes Fazit ziehen.

Schlechtes Theater haben Sie zum Jahresauftakt in der Regierungskoalition beobachtet. Aber verglichen damit war der Start der Linken desaströs, oder?


Unsere Kongresshalle war zum Jahresauftakt am Montag überfüllt. Das beweist, dass sich viele für uns interessieren. Die Basis will Argumente hören, ihren Akku aufladen können. Ich habe nicht erwartet, dass eine Personalie …

… Dietmar Bartsch, ihr Parteimanager, wurde von Fraktionschef Gregor Gysi zum Rückzug aufgefordert …


… so im Mittelpunkt stehen würde. Es war offenbar nicht zu vermeiden. Die Wähler und Parteimitglieder erwarten jetzt, dass wir zu den Inhalten zurückkommen.

War es richtig, den Machtkampf an der Spitze öffentlich auszutragen?


Das lässt sich nicht mehr zurückholen. Die Genossen erwarten von uns Sacharbeit. Sie wollen nicht, dass für viele unverständliche Konflikte in der Öffentlichkeit breitgetreten werden.

Sind denn die Vorwürfe gegen Dietmar Bartsch – Stichwort Illoyalität gegenüber dem Vorsitzenden Oskar Lafontaine – für Sie nachvollziehbar?


Ich kann nicht beurteilen, ob Dietmar Bartsch loyal oder illoyal war. Entscheidend ist, dass wir als Partei ein schlagkräftiges Team wählen, das sich gegenseitig vertraut. Im Moment haben wir es nicht, aber nur so kann es funktionieren.

Wie wollen Sie die Gemeinsamkeit in der Linken wiederherstellen?


Indem wir zum Beispiel ganz konkret in Nordrhein-Westfalen dafür kämpfen, dass Herr Rüttgers abgewählt wird. Der kommt uns ja entgegen: Er hat Hartz IV thematisiert, möchte eine Börsenumsatzsteuer einführen. Das sind alles Themen, die wir vorangebracht haben. Der Einzug in den Düsseldorfer Landtag ist für uns sehr wichtig. Dafür müssen sich viele in unserer Partei, die sich jetzt als Kontrahenten empfinden oder es sind, zurücknehmen.

Viele Ihrer Genossen in Nordrhein-Westfalen gelten als regierungsunwillig.


Wir wollen selbstverständlich entweder in der Opposition oder der Regierung die Politik verändern. Deshalb ist es gut, dass niemand sagt, dass die Linke sich unter keinen Umständen an einer Regierung beteiligen sollte. Die SPD ist ja nicht unser Feind. Allerdings sind wir nicht zur Pflege der SPD da, sondern müssen uns um unsere Wähler kümmern. Die SPD muss sich, in Nordrhein-Westfalen und auch im Bund, überlegen, was sie will. Wenn es Spannungen gibt, liegt das an beiden Seiten.

Bisher ist offen, ob Oskar Lafontaine im Mai wieder als Vorsitzender antritt. Was würde ohne ihn fehlen?


Der immense Druck auf Oskar Lafontaine und auch auf Gregor Gysi muss abnehmen. Die beiden haben nicht alleine die Verantwortung. Oskar Lafontaine wird in jedem Fall in der Politik der Bundesrepublik weiter eine Rolle spielen. Es ist ein bisschen wie im Fußball: Wenn ein Spieler krankheitsbedingt ausfällt, wird die Bundesliga nicht angehalten. Im Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen wird Lafontaine mitwirken – entweder als Stürmer oder als Coach.

Bei allem Verständnis, dass Lafontaine nach seiner Krebserkrankung Zeit braucht, um über seine politische Zukunft zu entscheiden: Hätte er sich in der jetzigen Krise der Linken nicht zu Wort melden müssen?

Es ist Oskar Lafontaine hoch anzurechnen, dass er über niemanden schlecht gesprochen hat.

Dietmar Bartsch will nun nicht erneut antreten. Steht das Ost-West-Gleichgewicht in der Partei auf dem Spiel?


Dietmar Bartsch wird immer ein politischer Mensch bleiben. Er ist Bundestagsabgeordneter, kann sich weiter einbringen. Das Ost-West-Gleichgewicht muss bei zukünftigen Personalentscheidungen gesichert bleiben.

Sie plädieren wie Lafontaine für die Doppelspitze in der Linken. Denken Sie da auch an sich?


Es gibt noch keinen Beschluss zur Doppelspitze, die jetzige Übergangsregelung läuft im Mai aus. Insofern muss jetzt erst mal die Partei entscheiden. Ich werbe für eine solche Satzungsänderung, damit die Arbeit besser verteilt werden kann. Was mich angeht: Entscheidungen muss man dann treffen, wenn sie anstehen.

Der thüringische Fraktionschef Bodo Ramelow sagt, die Linke brauche mehr weiblichen Führungsstil.


Das ist ja immer so: Wenn die Probleme am größten sind, wird nach Frauen gerufen.

Das Gespräch führte Matthias Meisner.

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