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Politik: WIR UND DER KRIEG

Jeden Tag berichten wir über den Krieg.Doch nicht jeden Tag wissen wir, ob das, was wir berichten, auch der Wahrheit entspricht.

Von Robert Birnbaum

Jeden Tag berichten wir über den Krieg.Doch nicht jeden Tag wissen wir, ob das, was wir berichten, auch der Wahrheit entspricht.In Belgrad herrscht Zensur, von der NATO fühlte sich selbst der Bundesverteidigungsminister nicht immer ausreichend informiert.In der Tagesspiegel-Redaktion gibt es fast täglich Diskussionen darüber, welcher Text und welches Bild noch zu verantworten sind.Diese Rubrik gibt Einblicke in Widersprüche und Zweifel von Journalisten in Zeiten des Krieges.

Irgendwann wird alles zur Routine.Sogar der Krieg.Der morgendliche Blick über die Agenturmeldungen: Nichts besonderes diese Nacht.Die üblichen Luftangriffe.Alle NATO-Maschinen zurückgekehrt.Bombardiert worden sind eine Raffinerie, eine Brücke, irgendwelche nicht näher bezeichneten Ziele im Kosovo.Wo steckt eigentlich Tschernomyrdin? Ach ja, Washington."Russischer Sonderbeauftragter sieht leichte Fortschritte" - das sieht er seit einer Woche täglich, also auch Routine.

Irgendwann wird aus Routine Langeweile.Sogar im Krieg.Dieses Stadium ist mittlerweile erreicht.Der Krieg wird immer öfter auf den hinteren Zeitungsseiten abgehandelt.Dem Fernsehen gehen die Themen für Sondersendungen aus: Schon wieder eine Flüchtlingswelle.Kennen wir, haben wir -zig Mal gesehen.

Diese Langeweile ist so verständlich wie gefährlich.Verständlich, weil unser Geschäft das Neue ist: In der Zeitung steht, was neu ist.Gefährlich, weil wir immer in Versuchung geraten, das Neue auch für das Wichtige zu halten.Umgekehrt das Altbekannte für das Unwichtige.Denn dann trübt die Langeweile nur allzu rasch das eigene Urteil.Nach zwei Jahren fruchtloser Debatte über die Waigelsche Steuerreform sind wir alle in den ironisch-verzweifelten Zwischenruf ausgebrochen: Macht endlich irgendeine Reform, egal was für eine - immer noch besser als weiterzuwursteln! Eine ähnliche Stimmung beginnt sich jetzt breitzumachen: Macht endlich irgend etwas, damit dieser Krieg sein Ende findet! Und Rudolf Scharpings tägliche Luftbilder von Flüchtlingstrecks kann sowieso keiner mehr sehen.Aber Überdruß ist ein schlechter Ratgeber.Denn das Neue ist nicht richtig, nur weil es neu ist.Und das Altbekannte ist nicht falsch, nur weil es langweilig ist.

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