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Politik: Wir und der Krieg: Bodentruppen

Politiker mögen unscharfe Begriffe: "moderne Wirtschaftspolitik" zum Beispiel.Militärs mögen Begriffe, die an Autowerkstatt erinnern statt an den Tod: "Kollateralschaden" zum Beispiel.

Von Robert Birnbaum

Politiker mögen unscharfe Begriffe: "moderne Wirtschaftspolitik" zum Beispiel.Militärs mögen Begriffe, die an Autowerkstatt erinnern statt an den Tod: "Kollateralschaden" zum Beispiel.Wenn Politiker aber über Militärisches reden, kommen beide Unsitten zusammen: Der harmlos klingende Fachbegriff wird obendrein unscharf."Bodentruppen" zum Beispiel.

Sprachhistorisch handelt es sich um eine gedankenlose wörtliche Übersetzung aus dem Englischen ("ground forces"), wo es in etwa dem entspricht, was hierzulande einst "Heeressoldaten" hieß.In den Polit-Jargon zog das Neuwort im Golfkrieg ein.Richtig breit gemacht hat es sich erst während des Bosnien-Konflikts.Als das Verfassungsgericht die deutschen Tornado-Einsätze billigte, also nach der UN-Definition einen Kampfeinsatz, verlor die bis dahin so wichtige Unterscheidung zwischen "friedensstiftenden" und "friedenserhaltenden" Einsätzen schlagartig ihre Bedeutung für die innerdeutsche Debatte.Die neue rote Linie wurde durch den Begriff "Bodentruppen" markiert: Ein bißchen Luftkrieg ja, aber "keine deutschen Truppen auf dem Balkan" (Helmut Kohl).

Bodentruppen hieß: Kampfverbände, die mit Gewalt und gegen den Willen einer Konfliktpartei ein Gebiet erobern.Diese Bedeutung behielt der Begriff noch bis in die zweite Woche des Luftkriegs um das Kosovo.Seither wird die ohnehin windelweiche Aussage "Wir wollen keine Bodentruppen" (was heißt schon "wollen"!) immer vieldeutiger.Die grüne Basis versteht es im alten Sinne: Wir wollen keinen einzigen Soldaten ins Kosovo einmarschieren sehen.Die hohe Politik übersetzt sich den Satz hingegen so: Wir wollen keine große Invasion.US-Fallschirmjäger, die kleinere Zonen im Kosovo besetzen, sind in diesem neuen Sinne sozusagen gar keine Bodentruppen.

Was sie dann sind, dafür fehlt einstweilen der Begriff.Für das Gegenteil immerhin haben CDU und CSU schon ein neues Wort erfunden: Bodenkampftruppen.Das meint die Invasionsarmee.Die - und nur noch die - lehnt die Union ab.So weit, so unklar.Nur: Was schreiben wir künftig in unsere Überschriften? "CDU lehnt Bodentruppen ab" ist falsch, weil es fast jeder im alten Sinne verstehen wird."CDU lehnt Bodenkampftruppen ab" aber versteht bis auf die Leser dieser Kolumne niemand.

Jeden Tag berichten wir über den Krieg.Doch nicht jeden Tag wissen wir, ob das, was wir berichten, der Wahrheit entspricht.In Belgrad herrscht Zensur, und von der NATO fühlt sich selbst der deutsche Verteidigungsminister nicht immer ausreichend informiert.In der Tagesspiegel-Redaktion gibt es fast täglich heftige Diskussionen darüber, welcher Text und welches Bild noch zu verantworten ist.Diese Rubrik gibt Einblicke in Widersprüche und Zweifel von Journalisten in den Zeiten des Krieges.

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