Zyad Elelaimy: „Wir wollen nie wieder einen Präsidenten aus dem Militär“
Zyad Elelaimy, Vertreter der ägyptischen „Jugend der Revolution“ über die Forderungen der Demonstranten und die Haltung zum Westen.
Herr Elelaimy, immer noch protestieren Hunderttausende auf dem Tahrir-Platz in Kairo. Sie gehören zu denen, die die Proteste ins Laufen gebracht haben. Haben Sie Hoffnung, Ihre Ziele erreichen zu können?
Wie es am Ende ausgeht, kann ich wirklich nicht sagen. Das hängt vor allem davon ab, wie sich das Militär positioniert. Präsident Mubarak kann immer noch auf die Loyalität der obersten Generäle zählen. Aber falls Mubarak abtritt, haben wir eine Chance.
Ist das Ihre Hauptforderung?
Nein, aber es muss der erste Schritt sein – gemeinsam mit der Rücknahme der Notstandsgesetze. Und dann brauchen wir natürlich starke Änderungen in der Verfassung und so schnell wie möglich eine Neuwahl des Parlaments.
Es wird häufig gesagt, den Demonstranten fehlten die Anführer. Wie sind Sie als Jugendbewegung denn organisiert?
Die verschiedenen Jugendorganisationen haben sich schon eine Woche vor den ersten großen Demonstrationen am 25. Januar getroffen. Das sind die Jugendbewegung 6. April, die Bewegung für Gerechtigkeit und Freiheit, die Jugendorganisation der Muslimbrüder, die Jugend der demokratischen Front-Partei und die Kommission zur Unterstützung von el Baradei. Ich bin im Vorstand der Baradei-Unterstützungskommission. Wir allein haben 15 000 Mitglieder.
Was wollen Sie erreichen?
Im Moment wollen wir, dass die Bewegung wächst, dass die Demonstrationen noch größer werden, dass die Menschen streiken. Wir bereiten uns auf Verhandlungen vor, aber wir werden erst verhandeln, wenn Mubarak abgedankt hat.
Ziehen Sie alle an einem Strang?
Auf jeden Fall kämpfen wir alle für die gleiche Sache. Im Detail muss eben jeder Kompromisse eingehen. Bei mir war das zum Beispiel, dass ich gerne die Forderung aufgestellt hätte, die gesamte Verfassung neu zu schreiben. Letztlich hat sich aber die Sicht durchgesetzt, nur einige Abschnitte zu verändern.
Wie lange sind Sie schon politisch aktiv?
Ich habe mit 16 Jahren angefangen – in einer kommunistischen Untergrundpartei. An meiner Uni habe ich eine sozialistische Studentengruppe geleitet. So wie die Begriffe in Europa gebraucht werden, bezeichne ich mich als Sozialdemokrat. Ich habe Jura studiert – jetzt bin ich 30 und habe meine eigene Kanzlei.
Was erwarten Sie vom Westen?
Vor allem von Europa erhoffen wir uns Solidarität mit der Bewegung. Ich denke, alle würden es begrüßen, wenn die USA dabei helfen würde, das Militär dazu zu bringen, Mubarak rauszuschmeissen. Schließlich wird unser Militär zu einem großen Anteil aus den USA finanziert – sie müssten also Einfluss darauf haben. Wenn Jugendliche zum Westen sagen „lasst uns in Ruhe“, geschieht das aus Enttäuschung darüber, dass die US-Regierung das Regime stützt. All die Werte, die sich im Westen zum Teil gut durchgesetzt haben – Demokratie, Menschenrechte – wollen wir unbedingt. Als Vorbild für uns sehe ich am ehesten ein Land wie Brasilien. Sie haben dieselben wirtschaftlichen Probleme, aber trotzdem ein demokratisches und auch ziviles System. Wir wollen nie wieder einen Präsidenten aus dem Militär!
Der Aufstand wird auch Facebook-Revolution genannt, dem Internet eine große Rolle zugeschrieben. Was ist dran?
Natürlich ist vor allem Facebook wichtig, weil wir so stark vernetzt sein können. Für fast alle Belange oder Projekte macht jemand auf Facebook mobil. Ohne all das wäre es viel schwieriger gewesen und wohl auch nicht so schnell gegangen.
Das Interview führte Karin Schädler.