Politik: Wo der Spaß aufhört
Von Dagmar Dehmer
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Die Internationale Tourismus Börse (ITB) ist bisher vor allem für Träume zuständig gewesen. Träume von weißen Stränden, fernen Urlaubszielen und guter Erholung. Dieses Mal öffnet die Reisemesse ihre Pforten unter dem Eindruck eines immer realer werdenden Alptraums: Der Klimawandel ist nicht mehr nur die Beschreibung einer fernen Zukunft. Immer mehr Menschen wird bewusst, dass wir schon mitten drin sind. Und dass das Reisen mit dem Flugzeug ein Teil des Problems ist.
Wer nicht in die Luft geht, fährt, und zwar Auto. Der Autosalon in Genf, der nahezu zeitgleich mit der ITB beginnt, eröffnet das Autojahr. Die Branche zeigt, was ihr zum „Fahrspaß“, so die Eigenwerbung, alles eingefallen ist. Auch beim Autosalon ging es bisher um einen Traum – das Versprechen, mit einem schnellen Auto etwas Besonderes zu sein und aus dem täglichen Jammertal einfach rauszufahren. Nun muss sich die Branche zusätzlich mit Klimaschutzansprüchen der Kunden auseinandersetzen. Und siehe da: Fast alle großen Hersteller präsentieren sparsamere Modelle als je zuvor.
Das ist ein Anfang. Doch wer künftig noch große Autos bauen will, muss sich noch mehr Gedanken machen. Mit neuen leichten Materialien könnte selbst eine große Limousine zum Drei-Liter-Auto werden – und müsste nicht einmal mehr kosten. Erkennt die Branche das, muss aus Deutschland kein „Volk der Kleinwagenfahrer“ werden, wie das der bayerische Wirtschaftsminister und CSU-Chef in spe Erwin Huber befürchtet. Gleichzeitig könnte die Autoindustrie beweisen, dass wirtschaftliches Wachstum mit viel weniger Kohlendioxid möglich ist. Und damit ein Beispiel für China abgeben, das sich derzeit rasant motorisiert.
Noch schneller ist das Wachstum allerdings beim Fliegen. Klar ist, weniger Fliegen schützt das Klima. Klar ist aber auch: Beim Fliegen hört der Spaß auf. Die Deutschen sind bereit, Beiträge zum Klimaschutz zu leisten. Aber sich beim Reisen einzuschränken, dafür gibt es nahezu keine Sympathie. Das liegt an den Träumen, aber auch an unserem komplexen Alltag. Kaum jemand kann sich vorstellen, aus der täglichen Mühle auszusteigen, ohne dafür weit weg zu fliegen.
Dabei sind wirklich nicht alle Flüge nötig. Kurzstreckenflüge sind leicht zu ersetzen. Ein Zeitgewinn ist wegen der immer langwierigeren Sicherheitskontrollen kaum noch erkennbar. Dazu kommt, dass Flughäfen in der Regel nicht in den Innenstädten liegen, und es viel Zeit braucht, sie zu erreichen. In vielen Fällen ist eine Zugfahrt schneller. Bequemer ist sie sowieso. Im Gegensatz zum Flugzeug bietet ein Zug keine Käfighaltung mit engen Sitzen, sondern sogar etwas Auslauf.
Bei Langstreckenflügen wird es schwieriger. Schiffe sind keine Alternative – zeitlich gar nicht, aber auch ökologisch nicht. Mieserer Sprit als Schiffsdiesel wird nirgendwo sonst eingesetzt. Zudem nimmt der Schiffsverkehr wegen der Globalisierung genauso dramatisch zu wie die Flüge. Aber wir müssen für die Klimaschäden, die wir so anrichten, auch bezahlen. Wir werden uns damit abfinden müssen, dass Flüge teurer werden.
Die Klimakosten können über eine Kerosinsteuer, den Emissionshandel oder auch einen Ticket-Zuschlag kompensiert werden. Zwar ist noch jeder Versuch, eine Kerosinsteuer einzuführen an den USA gescheitert. Eine Einbeziehung der Fluggesellschaften in den Emissionshandel ist schon wahrscheinlicher. Solange das nicht umgesetzt ist, bleibt nur die individuelle Lösung. Wer fliegt, kann Kohlendioxid-Zertifikate kaufen, um seine Klimaschulden anderswo gutzumachen. Das ist zwar ein Ablasshandel. Aber ein sinnvoller. Wenn mit diesem Geld beispielsweise das Deponiegas einer Müllkippe in Südafrika zur Stromerzeugung genutzt werden könnte, wäre das gut fürs Klima – und die Menschen.
Das Reisen ganz einzustellen, wäre zwar ein Beitrag zum Klimaschutz. Allerdings würden dann auch viele Umweltprojekte in Entwicklungsländern zerstört. Eine Reiseabstinenz hätte auch negative Folgen für unseren geistigen Horizont. Beim Tourismus hat eben alles zwei Seiten. Was für uns die schönsten Wochen des Jahres sind, kann dem Klima den Rest geben.
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