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Attacken auf Rabbiner, Schmähungen von Juden mit Kippa im Straßenbild - zum 70. Jahrestag ist der Zentralrat herausgefordert.

© imago/Jürgen Heinrich

70-jähriges Bestehen: Zentralrat der Juden will neue Generation gewinnen

Rabbiner Nachama plant für die Zukunft des Verbands. Zum 70. Jahrestag fordert der Zentralrat auf, dem Hass und Ressentiment gemeinsam zu widersprechen.

Stand:

Der Bundespräsident war früh dran. Schon vor fast einer Woche Frank-Walter Steinmeier den Zentralrat der Juden in Deutschland zu seinem 70-jährigen Bestehen als „bedeutsame Stimme“ gewürdigt. Und das ist er in der Tat, buchstäblich, weil inzwischen die Zahl der rechtsextremistischen und antisemitischen Taten nahezu Jahr für Jahr steigt. Verstörend findet das nicht allein der gegenwärtige Vorsitzende des Zentralrats, Josef Schuster. Darum wollte der Bundespräsident früh ein Zeichen setzen, auf dass seine Würdigung nicht überhört werde.

Diese Stimme werde gebraucht und gehört, betonte das Staatsoberhaupt und bekundete seine Dankbarkeit, dass sich  jüdisches Leben in Deutschland „in seiner ganzen Vielfalt in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat“. Ende vergangenen Jahres war der Präsident höchster Besucher des jüdischen Gemeindetages in Berlin, mehr als eine Geste, vielmehr ein Zeichen anhaltender Verbundenheit, die im Übrigen für seine ganze Familie, für Frau und Tochter, gilt. Daher kommt auch der Satz: „Ich freue mich über Ihr Engagement für ein Gemeinwesen, an dem wir alle teilhaben.“

Nur ist das Vertrauen eben wegen der antisemitischen Angriffe in Deutschland brüchig geworden. Attacken auf Rabbiner, Schmähungen von Juden mit Kippa im Straßenbild - zum 70. Jahrestag ist der Zentralrat  herausgefordert, und er fordert seinerseits dazu auf, auch heraus, dem Hass und Ressentiment gemeinsam zu widersprechen. Nicht zuletzt diejenigen, die nicht Ziel dieses Hasses sind. Sie müssten „laut und vernehmbar widersprechen“ und verhindern, dass die Atmosphäre hierzulande weiter vergiftet werde, lautet vor diesem Hintergrund das Thema der kommenden Jahre.

Interessenvertretung gegenüber der Politik

Das Jubiläum des Zentralrats wird wegen der Corona-Pandemie digital mit verschiedenen Online-Formaten begangen. Gegründet hatte er sich am 19. Juli 1950 in Frankfurt am Main. Damals lebten noch etwa 15.000 Juden in Deutschland. Vor dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust waren es bis zu 600.000. Kurz nach dem Ende der Schoah war der Zentralrat zunächst als Vertretung der Interessen von Juden bis zu deren Auswanderung gedacht. Heute vertritt er die Interessen von Juden gegenüber der Politik und Gesellschaft und unterstützt Gemeinden mit Dienstleistungen und Projekten. Weitere Ziele sind die Förderung und Pflege religiöser und kultureller Aufgaben der Gemeinden. Unter seinem Dach sind 23 Landesverbände mit 108 Gemeinden und rund 101.000 Mitgliedern organisiert.

Neue Generation gewinnen

Der Zentralrat der Juden in Deutschland muss nach Worten des Berliner Rabbiner Andreas Nachama eine neue Generation gewinnen.

© Jens Büttner/dpa

Nach Worten des Berliner Rabbiners Andreas Nachama muss der Zentralrat nun eine neue Generation gewinnen, die auch neue Fragen jüdischen Lebens mitbringt. Das sei für die Zukunft des wichtig, sagte der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz dem RBB. Man müsse sich immer erneuern. „Wer verharrt, der rostet“, mahnte Nachama. Hintergrund ist, dass es auch Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland gibt, die sich nicht in Gemeinden sehen. „Man muss das mit einer großen Gelassenheit sehen.“ Judentum sei etwas, was jeder jüdischer Abstammung für sich selbst bestimme.

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Zum Zentralrat gehören außerdem mehrere bundesweite Organisationen und Einrichtungen. Dazu zählen etwa die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland, die Rabbinerkonferenz, das Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg und die Zeitung „Jüdische Allgemeine“.

Blick auf jüdische Geschichte

Nächstes Jahr wird in Frankfurt am Main, dem Gründungsort des Zentralrats, der dritte Ökumenische Kirchentag von evangelischen und katholischen Christen veranstaltet.

Von ihm soll ein Zeichen gerade auch an die Juden in Deutschland ausgehen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Katholiken, Thomas Sternberg, meinte denn auch schon, „dass wir in den Vorbereitungen des Programms einen besonderen Blick auf die jüdische Geschichte und das jüdische Leben in Frankfurt werfen werden“, sei vor dem Hintergrund eine Selbstverständlichkeit. Aus Frankfurt am Main kamen und kommen bedeutende jüdische Deutsche, so Ignatz Bubis, Salomon Korn und Michel Friedman.

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