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NSU-Prozess in München.

© dpa

NSU-Prozess: Zschäpe-Verteidiger kritisieren Ermittlungsbehörden

Die Ermittlungsbehörden haben eine mögliche Entlastungszeugin für die Angeklagte Beate Zschäpe womöglich unzureichend vernommen. Es handelt sich um eine Frau, die neben dem NSU-Trio wohnte.

Von Frank Jansen

Bei den Ermittlungen der Zwickauer Polizei im Fall der möglichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe gab es offenbar eine Panne. Ein Beamter gab am Dienstag im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München indirekt zu, bei der Vernehmung einer Zeugin auf eine wichtige Frage verzichtet zu haben. Zschäpes Anwalt Wolfgang Stahl sprach am Dienstag vor dem Münchner Oberlandesgericht von einer unterbliebenen und fehlerhaften Vernehmung. Sein Kollege Wolfgang Heer kündigte dazu eine umfassende Erklärung der Verteidigung für kommende Woche an.

Bei der Zeugin handelt es sich um eine alte, gebrechliche Frau, deren Wohnung in Zwickau sich neben der von Zschäpe und den NSU-Mördern Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt befand. Mutmaßlich Zschäpe hatte am 4. November 2011 das Versteck der drei in der Frühlingsstraße 26 in Brand gesteckt. Drei Stunden zuvor hatte Mundlos in Eisenach Böhnhardt erschossen und dann sich selbst.

Bei dem heftigen Feuer geriet die Rentnerin Charlotte E. in Gefahr und wurde von Verwandten gerettet. Der am Montag befragte Polizist geht allerdings davon aus, dass Zschäpe am 4. November 2011 bei Charlotte E. geklingelt hatte, um sie vor dem Brand zu warnen. Unklar bleibt aber, wie oft in der fraglichen Zeit am frühen Nachmittag bei der Rentnerin geschellt wurde.

Hat Zschäpe bei ihr geklingelt?

Die Frage ist von Bedeutung, da die Bundesanwaltschaft Zschäpe nicht nur besonders schwere Brandstiftung vorwirft, sondern auch im Zusammenhang damit versuchten Mord an der Nachbarin Charlotte E. Der Polizist, der  gleich nach dem Brand an den Ermittlungen beteiligt war, geht davon aus, Zschäpe habe erst das Benzin in der Wohnung verschüttet und dann bei Charlotte E. geklingelt, um sie zum Verlassen des Hauses aufzufordern. Handschriftlich hatte er im November 2011 einen entsprechenden Vermerk verfasst.

Der Beamte führte Charlotte E. damals als „Entlastungszeugin“. Somit wäre fraglich, ob Zschäpe vorsätzlich in Kauf genommen hat, dass die Nachbarin bei dem Brand sterben könnte. Eine Woche nach dem Feuer vernahm der Polizist Charlotte E. Sie sagte, am 4. November 2011 habe es gegen 14 Uhr bei ihr geklingelt. Sie habe aber an der Wohnungstür niemanden gesehen. Der Brand brach laut Anklage kurz nach 15 Uhr aus. Bei der Vernehmung von Charlotte E. sprach der Polizist aber nicht an, dass ein Bauarbeiter kurz  zuvor ausgesagt hatte, beim Brand des Hauses in der Frühlingsstraße eine ältere Frau an einem Fenster gesehen und dann alle Klingeln gedrückt zu haben.

Die Nachbarin selbst kann nicht mehr aufklären

Charlotte E. erwähnte jedoch gegenüber dem Beamten kein zweites Klingeln. Wenn sie es von sich aus erzählt hätte, sagte der Polizist am Dienstag, „hätte ich das schriftlich niedergelegt, aber das war nicht der Fall“. Auf die Idee, die Rentnerin nach weiterem Klingeln zu fragen, kam der Beamte damals nicht. So bleibt offen, ob die alte Frau sich korrekt erinnert hat.

Charlotte E., heute über 90, kann dazu nichts mehr beitragen. Eine Vernehmung per Video aus dem Pflegeheim in Zwickau, in dem die Greisin jetzt lebt, brach der Vorsitzende Richter im Münchner Prozess, Manfred Götzl, im Dezember 2013 nach wenigen Fragen ab. Charlotte E. begriff nicht, worum es ging. Auch ein Richter des Amtsgerichts Zwickau, der im Mai auf Bitte des Oberlandesgerichts München eine Befragung im Pflegeheim versuchte, erreichte nichts mehr. Zschäpe selbst, der die Bundesanwaltschaft auch die Mittäterschaft an allen zehn Morden des NSU und weiteren Verbrechen vorwirft, schweigt weiter.

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