Fall Ermyas M.: Angeklagter hat kein Alibi
Einer der beiden Angeklagten im Prozess um die Attacke auf den dunkelhäutigen Ermyas M. in Potsdam hat nach Aussage einer Vernehmungsbeamtin kein Alibi für die Tatnacht.
Stand:
Potsdam - Der wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagte Thomas M. habe sich nicht sicher erinnern können, wo er in der Nacht zum Ostersonntag 2006 gewesen sei, sagte die 38-Jährige vor dem Potsdamer Landgericht. Die Polizistin, die den heute 31-Jährigen nach seiner Festnahme vier Tage nach dem Übergriff vernommen hatte, bezeichnete dies als "merkwürdig". Allerdings gibt es selbst nach Einschätzung der Nebenklage bislang keine Beweise dafür, dass Thomas M. am Tatort war.
Auch bei dem Hauptangeklagten Björn L., der den Deutsch-Äthiopier durch einen Faustschlag lebensgefährlich verletzt haben soll, sei die Beweislage bisher sehr dünn, räumte Opfer-Anwalt Thomas Zippel im Anschluss an den letzten Verhandlungstag vor der Osterpause ein. Allerdings müsse noch die Stimmenanalyse zu einem Mailbox-Mitschnitt eines Teils des Tatgeschehens abgewartet werden. Die Handy-Mailbox der Ehefrau des Opfers hatte das Wortgefecht zwischen Ermyas M. und den Tätern aufgezeichnet. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ist auf dem Mitschnitt die Stimme von Björn L. zu hören.
Nebenkläger kritisiert Beweisführung
Angesichts des bisherigen Prozessverlaufes sagte Zippel: "Für eine Verurteilung bedarf es einer erheblichen Wahrscheinlichkeit, dass die Stimmen übereinstimmen." Der Anwalt der Nebenklage übte scharfe Kritik an der Beweisführung des Gerichts. So sei ein Zeuge, der das mögliche Alibi des Hauptangeklagten Björn L. in Frage stellen könne, noch nicht vernommen worden. Die Reihenfolge in der Beweisführung sei daher nicht nachvollziehbar, sagte Zippel. Wichtige, möglicherweise belastende Details seien noch nicht zur Sprache gekommen. Zum Beispiel fehlten im Verfahren laut Zippel noch CDs, die vier Tage nach der Tat im Auto des Hauptbeschuldigten gefunden worden waren. Auf den Tonträgern soll rechte Musik zu hören sein.
Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen erregt, auch weil die Bundesanwaltschaft zwischenzeitlich wegen Mordversuchs aus Ausländerhass ermittelte. Sie gab das Verfahren jedoch wieder ab, da sich die Vorwürfe nicht halten ließen. Beide Angeklagte bestreiten, am Tatort gewesen zu sein. Der Prozess wird am 18. April mit Zeugenvernehmungen fortgesetzt. Das Urteil wird für den 4. Mai erwartet. (tso/dpa/ddp)
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