Brandenburg: Behörden im Visier der Ermittler
Geprüft wird, „ob es Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Versäumnisse gibt“
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Geprüft wird, „ob es Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Versäumnisse gibt“ Cottbus/Potsdam - Im Fall des toten Dennis sind nun auch die Behörden im Visier der Cottbuser Staatsanwaltschaft. Dabei geht es um die Frage, warum die Leiche des sechsjährigen Jungen zweieinhalb Jahre in der Tiefkühltruhe der Eltern liegen konnte, ohne dass ein Amt das Kind vermisste. Nach Auskunft der Ermittler gibt es im Moment keinen konkreten Verdacht gegen Behördenmitarbeiter. „Wir prüfen aber, ob es Anhaltspunkte für strafrechtlich relevante Versäumnisse gibt“, sagte Sprecherin Cäcilia Cramer-Krahforst gestern. Die 43-jährige Mutter und der 37-jährige Vater sollen ihr Kind so vernachlässigt und schlecht ernährt haben, dass es Ende 2001 starb. Den Behörden könnte nun möglicherweise unterlassene Hilfeleistung vorgeworfen werden. Aber auch wenn es keine juristischen Konsequenzen für Schul- und Jugendamt geben sollte - Cramer-Krahforst hält derzeit ein Ermittlungsverfahren für eher unwahrscheinlich - liegen die Fehler auf der Hand. Dies hat auch Jugendminister Steffen Reiche (SPD), der allerdings nur für das Schulamt zuständig ist, eingeräumt und disziplinarische Ermittlungen eingeleitet: „Dennis könnte heute noch leben. Wenn die staatlichen Stellen das geltende Recht konsequent angewendet hätten, wäre der schlechte gesundheitliche Zustand des kleinen Jungen frühzeitig bemerkt worden.“ So wurde beispielsweise eine Schuleingangsuntersuchung für Dennis versäumt. Sie hätte Reiche zufolge die katastrophale Unterernährung aufgedeckt und Konsequenzen zur Folge gehabt. Trotz der fehlenden Untersuchung erhielten die Eltern ein halbes Jahr nach Dennis'' Tod laut einem Bericht des Magazins „Focus“ im Juli 2002 von der zuständigen Grundschule den Formbrief: „Ich freue mich,...dass Ihr Kind nach Abschluss des Aufnahmeverfahrens als schulreif eingeschätzt wurde.“ Das Bildungsministerium prüft laut Sprecher Thomas Hainz derzeit, ob dieser Brief tatsächlich verschickt wurde. Und das Jugendamt wurde über die ganze Zeit nicht stutzig, als die Mutter von Dennis mehrfach erklärte, der Junge sei im Krankenhaus oder zur Kur. Nach Attesten oder der Adresse der Klinik verlangte offenbar niemand. Jugendamtsmitarbeiter waren laut Hainz mit den Eltern im Mai 2002 zur Schule gekommen, um Dennis anzumelden. Ihr Sohn liege wegen Diabetes seit Weihnachten 2001 in der Klinik beziehungsweise in einer Reha-Klinik, erklärte die Mutter. „Die Schule hatte den Eindruck, dass eine Bestätigung dieser Aussage durch das Jugendamt erfolgte“, heißt es im Bericht des Ministeriums. Die Cottbuser Oberbürgermeisterin Karin Rätzel (parteilos) sieht unterdessen bislang keine Versäumnisse der Ämter. Dagegen meinte die stellvertretende Leiterin des Sozial-Therapeutischen Instituts Berlin-Brandenburgs, Sabine Hagenah: „Das Jugendamt hätte viel konsequenter nachforschen müssen und sich nicht mit Ausreden abspeisen lassen dürfen.“ Nach ihren Worten ist eine ganze Reihe von Dingen falsch gelaufen. „Die Ämter haben ihre Wächterfunktion erheblich vernachlässigt“, sagte Hagenah. Es sei wichtig, dass die Kommunen konkrete Konzepte für ein Netzwerk von Ärzten, Schul-, Jugend- und Gesundheitsamt entwickeln, wie in derartigen Fällen vorgegangen werden sollte. Denn: „Es gibt wirklich Eltern, die sehr geschickt dabei sind, eigene Versäumnisse zu verdecken.“ Die unter dringendem Tatverdacht stehenden Eltern von Dennis sind weiter auf freiem Fuß, da das Amtsgericht die Haftbefehle außer Vollzug gesetzt hatte. Über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen diesen Beschluss wollte das Landgericht Anfang der Woche entscheiden. Cramer-Krahforst betonte: „Wir halten die Entscheidung des Amtsgerichts nach wie vor für völlig falsch.“
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