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Brandenburg: Bombe – erneut muss gesprengt werden

Weitreichende Sperrung in Oranienburg. Stadt stellt sich auf Schäden ein. Konzert für Geschädigte

Von Matthias Matern

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Oranienburg - Nach der folgenreichen Entschärfung einer alten US-amerikanischen Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg vor gut anderthalb Wochen muss am heutigen Mittwoch erneut ein Blindgänger in Oranienburg (Oberhavel) gesprengt werden. 12 000 Menschen müssen nach Angaben der Stadt deshalb bis 8 Uhr ihre Wohnungen vorübergehend verlassen. Auch der Bahnverkehr von und nach Oranienburg ist betroffen. Die S-Bahnlinie S 1 beginnt und endet ab 7.45 Uhr in Birkenwerder, es rollen Busse im Ersatzverkehr. Auch die Bahnlinien RE 5, RB 12 und RB 20 werden unterbrochen und durch Busse ersetzt. Um 14 Uhr soll die Sprengung beendet sein, heißt es.

In dem Sperrkreis von 1000 Metern befinden sich der Stadt zufolge neben Wohnhäusern das Schloss Oranienburg, die Stadt- und Kreisverwaltung, das Landratsamt sowie ein Spaß- und Erlebnisbad. Notwendig ist eine Sprengungen nach Einschätzung der Experten des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Brandenburg wie im vorhergehenden Fall, weil der Zünder der 250-Kilogramm-Bombe amerikanischer Herkunft durch die lange Zeit unter der Erde bereits zu stark verrottet ist. Bei der Sprengung Ende November im Oranienburger Ortsteil Lehnitz war wie berichtet unter anderem auf dem benachbarten Grundstück ein ausgebautes Wochenendhäuschen zerstört worden. Eigenen Angaben zufolge hatte der Bewohner Paul Dietrich wenigstens 40 000 Euro in das Haus investiert. Da es aber keinen Rechtsanspruch auf Schadensersatz gibt, wird derzeit für ihn und weitere Fälle gesammelt. „Rund 3000 Euro sind bereits zusammengekommen. Am 27. Dezember ist zudem ein Benefizkonzert geplant“, berichtete Oranienburgs Stadtsprecher, Björn Lüttmann, am Dienstag den PNN. Auftreten werden stadtbekannte Bands wie „Die Unbestechlichen“ oder „Kreisstadthelden“. Dem Stadtsprecher zufolge sind weitere Schäden in diesem Zusammenhang bekannt geworden. Fassaden anderer Wochenendhäuser und Schuppen hätten Risse bekommen, Mauerwerk sei beschädigt worden, so Lüttmann.

Auch wenn es sich im Ortsteil Lehnitz um eine doppelt so große, 500-Kilogramm-Bombe gehandelt hat, könnte es auch am heutigen Mittwoch wieder brenzlich werden. Der neue Blindgänger liegt in 4,50 Meter Tiefe, knapp fünf Meter von einem großen Wohnhaus der Oranienburger Wohnungsbaugenossenschaft entfernt. „Wir können nicht ausschließen, dass es wieder zu Sachschäden kommt“, sagte Lüttmann. Die Genossenschaft selbst wollte sich nicht äußern. 190 Anwohner aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich dürfen schon seit Dienstag nicht mehr in ihre Wohnungen. Die meisten kommen laut Stadtverwaltung privat bei Angehörigen unter. Zudem biete die kommunale Wohnungsgesellschaft Ausweichquartiere – auch um Möbel in Sicherheit zu bringen.

Auch an der in derNähe liegenden Fernwärmetrasse der Stadtwerke stellt sich die Oranienburger Stadtverwaltung auf mögliche Schäden ein. Wäre dies der Fall, säßen viele Haushalte der Stadt ohne Heizung da. Die Stadtwerke sind jedoch nach eigenen Angaben gut vorbereitet: Man stelle sich auf eine mögliche Reparatur der Leitung in der Nacht ein, heißt es.

Selbst Experten wagen kaum eine Prognose, sind aber skeptisch. „Ich kann nicht abschätzen, wie groß die Schäden sein werden“, sagte Horst Reinhardt, Technischer Leiter beim Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD). Der 62-Jährige wird die Bombe unschädlich machen. Mehr als 150-Mal hat er dies bereits getan in den zurückliegenden 41 Dienstjahren. Die Bedingungen seien diesmal jedoch ungünstig, sagt Reinhardt. „Wir haben kaum Platz für große Schutzmaßnahmen. Das macht die Situation so schwierig“, erklärt Reinhardt. „Die Langzeitzünder vertragen kein lautes Husten und werden mit großem Respekt behandelt.“

In kaum einer anderen deutschen Stadt sind die Folgen des Zweiten Weltkriegs so präsent wie in Oranienburg. Auf die Stadt wurden zum Ende des Krieges mehr als 10 000 Bomben abgeworfen. Die Kreisstadt galt als wichtiges Rüstungszentrum. Noch heute vermuten Experten bis zu 300 Blindgänger im Erdreich. Sprengungen würden immer häufiger notwendig.

Indes zeichnet sich möglicherweise eine Lösung ab, wie Geschädigte künftig ihre Verluste ausgeglichen bekommen. Wie berichtet prüft das Landesinnenministerium derzeit bereits den Fall Dietrich. „Wir sind im Gespräch. Aufgrund des aktuellen Falls hoffen wir, mittel- bis lanfgfristig auch zu einer generellen Lösung zu kommen“, Lüttmann. (mitdpa)

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